Du bist in meinen Traeumen
durcheinander, um alles genau zu lesen. Erst heute habe ich dieses Merkblatt für Schwangere gründlich studiert. Anscheinend ist so ziemlich alles verboten. Kein Alkohol, wenig Kaffee …”
“Tut mir Leid, Liebes”, unterbrach Edwina sie, “wir müssen unser Gespräch morgen fortsetzen. Gerade ist nämlich Georgie gekommen.”
“Was macht Georgie mitten in der Woche bei euch draußen?
Wenn sie nicht aufpasst, verliert sie wieder ihren Job!”
“Das hat sie schon!” Edwina seufzte. “Anscheinend wurde es ihrem Chef zu bunt, weil sie montags so oft blau gemacht hat.”
“Das darf nicht wahr sein!”
“Leider doch”, bestätigte Edwina und lachte. “Als sie vorgestern wieder nicht im Büro erschien, hat er sie von einem Tag zum anderen gefeuert. Nun badet sie in Selbstmitleid und erhofft sich von mir schwesterlichen Trost. Aber wie ich sie kenne, wird sie bald einen neuen Job finden.”
“Bestimmt!” Samantha lächelte nun ebenfalls.
“Ich muss auflegen, Liebes. Unsere verrückte Schwester nimmt den Finger nicht mehr von der Klingel, und mir geht das schrille Lä uten durch Mark und Bein. Ich ruf dich morgen wieder an.”
Hinterher fiel Samantha ein, dass sie vergessen hatte, Edwina zu bitten, gegenüber der Plaudertasche Georgie nichts von dem Baby zu erwähnen. Es war jedoch nicht weiter schlimm, da Georgie sich für solche Themen sowieso nicht interessierte.
Obwohl Samantha ihre jüngere Schwester aufrichtig liebte, machte sie sich über sie keine Illusionen. Georgie war ein hübsches Mädchen mit einer atemberaubenden Figur und schien, unberührt von den Kümmernissen menschlichen Daseins, auf einer rosa Wolke durchs Leben zu schweben.
Möglicherweise lag es daran, dass sie als Nesthäkchen der Familie von allen immer besonders verwöhnt worden war.
Außerdem war sie noch sehr jung und bisher von
Schicksalsschlägen verschont geblieben. Hoffen wir, dass es so bleibt, dachte Samantha, denn bei all ihren Fehlern besaß Georgie auch die seltene Gabe, andere aufzuheitern und zum Lachen zu bringen.
Die Tage vergingen, ohne dass Matt sich meldete. Leider machte die Gewissheit, ihn nie wieder zu sehen, Samanthas Leben keineswegs einfacher.
Sie versuchte alles, um ihn aus ihren Gedanken zu verbannen, sang wie eine Beschwörungsformel schon morgens unter der Dusche den alten Musicalschlager “I’m going to wash that man right out of my hair”, doch letztendlich wusste sie nur zu gut, dass sie sich etwas vormachte. Der besagte Mann erfüllte ihr ganzes Sein, und es sah eher so aus, als würde sie die Liebe zu Matt niemals mehr aus ihrem Herzen reißen können.
“Macht nichts, mein Kleines. Du und ich werden auch ohne ihn zurechtkommen, stimmt’s?”, sagte sie zu ihrem ungeborenen Baby, als sie an diesem Abend ihr leichtes Sommerkostüm auszog und sich dann im Spiegel begutachtete. In dem spitzenbesetzten Seidenteddy sah sie noch unverändert schlank aus, aber lange konnte es nicht mehr dauern, bis sie sich von ihrer Wespentaille würde verabschieden müssen.
In den letzten Tagen hatte Samantha sich angewöhnt, Zwiesprache mit ihrem Baby zu halten. Noch hatte sie keine Ahnung, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden würde, doch sie fand diese einsamen Monologe - eine Antwort erhielt sie ja nie - sonderbar tröstlich. Hin und wieder weinte sie dabei auch ein wenig, so wie jetzt, als sie auf das Bett sank und einige Tränen des Selbstmitleids vergoss.
“Zu Hause, in den eigenen vier Wänden, wird man ja wohl noch weinen dürfen”, murmelte sie, putzte sich dann aber energisch die Nase und versuchte, sich zusammenzunehmen.
Diese täglichen Selbstgespräche waren sicher erste Anzeichen von Wahnsinn. Oder war es normal, wenn werdende Mütter mit ihrem Baby redeten?
Samantha wollte gerade ihr Nachthemd anziehen, als es an der Tür klingelte.
Ach, du meine Güte! Sie hatte völlig vergessen, dass sie Henry gebeten hatte, ihr noch einige Unterlagen
vorbeizubringen, die sie morgen früh für eine Besprechung benötigte. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Wieso kam er erst jetzt?
Mit einem tiefen Seufzer schlüpfte sie in einen blauseidenen Morgenmantel und ging barfuß durch das dunkle Wohnzimmer zur Tür, um zu öffnen.
Hinterher fragte sie sich, weshalb sie nicht erst durch den Spion gesehen hatte, wie es jeder halbwegs vernünftige Mensch um diese Zeit getan hätte. Hatte sie sich nicht immer besserwisserisch ereifert, wenn sie in der Zeitung von Überfällen auf allein lebende Frauen
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