Du bist in meiner Hand
hämisch grinsen. Ein Sabbatjahr bei einer gemeinnützigen Organisation? Er kam sich plötzlich vor wie ein Aussätziger.
»Ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen, Sir«, erklärte er, »aber für mich fühlt sich das fast so an, als wollte man mich nach Sibirien schicken.«
Junger zuckte mit den Schultern. »Nenn es, wie du willst. Die Entscheidung liegt bei dir.«
Thomas atmete einmal tief ein und aus. »Also gut, mal angenommen, ich folge Ihrem Rat und gehe eine Weile ins Ausland. Was erzählen Sie dann den Kollegen? Die Leute werden sich wundern.«
Noch während er die Frage formulierte, dämmerte ihm, wie die Antwort lautete.
»Wir sagen ihnen einfach, du hättest dir aus persönlichen Gründen eine Auszeit genommen«, erklärte Junger. »Über deine Tochter wissen schließlich alle Bescheid.«
Junger hatte sich seine Züge genau überlegt. Schach und Schachmatt. »Was passiert, wenn ich zurückkomme?«, fragte Thomas müde.
Junger streckte die Hände aus. »Ich werde dafür sorgen, dass du den besten Posten bekommst, den die Kanzlei dann zu bieten hat. Nach einer Weile wird sich keiner mehr daran erinnern, dass du überhaupt weg warst.«
Thomas sah aus dem Fenster und schluckte seinen Stolz hinunter. »Ich denke darüber nach und gebe Ihnen dann Bescheid.«
Junger verzog keine Miene, aber seine Schultern entspannten sich. »Mehr verlange ich ja gar nicht.«
Als Thomas an diesem Abend die Kanzlei verließ, hatte er nicht die Absicht, so bald wiederzukommen. Draußen fiel frostiger Regen, und die Gehsteige waren spiegelglatt. Er hielt Abstand zu der Gruppe von Kollegen, die zum gemeinsamen Happy-Hour-Umtrunk in Richtung Hudson Restaurant & Lounge unterwegs waren, und nahm am McPherson Square die Metro. An der Haltestelle Foggy Bottom stieg er aus und fuhr mit einem Taxi die restliche Strecke nach Georgetown. Als er sein Haus erreichte, fielen die ersten Schneeflocken.
Er stellte seine nassen Schuhe in der Diele ab und ging nach oben, um sich umzuziehen. Als er gerade hinunter in die Küche wollte, um sich etwas zum Abendessen zu machen, informierte ihn sein BlackBerry per Summton darüber, dass er eine Mail bekommen hatte. Die Nachricht war von Andrew Porter, einem alten Studienkollegen, der inzwischen für das Justizministerium arbeitete.
Andrew hatte geschrieben: Hey, Kumpel, ist unsere Tennis-Verabredung noch aktuell? Um sieben im EPTC?
Thomas hätte sich treten können – die Verabredung hatte er völlig vergessen. Sie hatten das Match schon vor einem Monat ausgemacht. Jetzt spielte er mit dem Gedanken abzusagen, entschied sich aber schnell dagegen. Tennis zu spielen war eine viel angenehmere Aussicht, als den ganzen Abend Trübsal zu blasen.
Nachdem er rasch ein Thunfischsandwich und einen Apfel hinuntergeschlungen hatte, schloss er das Haus ab und stieg in seinen Wagen. Wegen des winterlichen Wetters dauerte die Fahrt in den East Potomac Park länger als erwartet, sodass Andrew Porter ihn bereits im Umkleideraum erwartete. Sein Freund war etwas kleiner und stämmiger als Thomas, aber ein richtiger Fitness-Junkie, was man an seinem durchtrainierten Körper sah.
Andrew begrüßte ihn mit Handschlag. »Na, bereit, dich fertigmachen zu lassen? Warte, bis du meinen neuen Aufschlag siehst!«, forderte er ihn scherzhaft heraus.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen«, gab Thomas zurück. »Bevor du mich plattmachst, muss ich erst ein bisschen Rost abschütteln. Wie lange ist unser letztes Spiel her? Zwei Monate?«
»Bei dir zwei Monate, bei mir eine Woche. Clayton raubt dir dein Leben, Kumpel.«
»Wenn du wüsstest, wie recht du hast!«
Nachdem Thomas sich umgezogen hatte, trugen er und Andrew ihre Ausrüstung hinaus auf den Platz. Das East Potomac Tennis Center war eine riesige Anlage. Neunzehn Plätze lagen im Freien, fünf in einem aufblasbaren Zelt, das von allen liebevoll »die Blase« genannt wurde. Obwohl es draußen schneite, herrschten in der Blase angenehme einundzwanzig Grad.
Sie liefen ein paar Aufwärmrunden und absolvierten dann ein paar Dehnübungen.
»Was treiben denn die Erben von Larry Flynt?«, erkundigte sich Thomas.
Andrew lachte. »Verglichen mit dem Gesindel, mit dem ich mich herumschlage, ist Flynt ein Chorknabe.«
Zu Beginn seiner Laufbahn am Justizministerium hatte Andrew sich mit Fällen von Aktienbetrug beschäftigt. Diese Arbeit war ihm allerdings zu farblos und langweilig gewesen. Seine Vorgesetzten hatten schnell begriffen, dass er dort eingesetzt werden musste,
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