Du bist in meiner Hand
demütigend, als Richter Hirschel ihm mitteilte, dass das Berufungsgericht die Entscheidung revidiert habe. Und Jack Barrows hat vor Wut geschäumt. Ich glaube, Jack hat auch überreagiert. Meiner Meinung nach hätte der Richter sowieso zugelassen, dass die Kläger den Geschworenen die Simulation vorführen. Aber Barrows hat Mark dafür verantwortlich gemacht, dass sie als Beweismittel zugelassen wurde.«
Junger musterte ihn eindringlich. »Ich schätze mal, das alles kommt für dich nicht sehr überraschend.«
Thomas schüttelte den Kopf.
»Aber das ist noch nicht alles, und was ich dir jetzt erzähle, ist vertraulich. Nach dem Urteilsspruch drohte Barrows damit, die Kanzlei zu verklagen. Die Drohung ist noch nicht vom Tisch. Bisher wissen nur ein paar Leute davon. Wir hoffen, dass sich die Wogen durch die Berufung wieder glätten werden.«
Thomas war vor Schreck ganz blass geworden. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass die Bergbaufirma derart weitreichende Schritte erwog.
»Auf jeden Fall«, fuhr Junger fort, »bin ich sicher, dass du die Sache ganz anders siehst als Mark. Aber das spielt keine Rolle. Mark hat eine auf den Deckel bekommen, und es geht nun vorrangig darum, den Mandanten zu beruhigen. Ein paar Leute haben drastische Maßnahmen vorgeschlagen, aber dagegen habe ich Einspruch erhoben. Ich habe ihnen gesagt, dass es nicht deine Schuld war, sondern die Schuld der Kanzlei. Wir haben den Fehler gemeinsam gemacht.« Junger breitete großmütig die Hände aus. »Daher müssen wir auch die Konsequenzen gemeinsam tragen.«
Junger legte eine Pause ein und schlug dann eine andere Richtung ein: »Thomas, weißt du, warum ich deinen Vater so schätze?«
»Nein, Sir.«
»Er ist brillant, er ist loyal, und er ist ein verdammt guter Anwalt und Richter. Was aber noch hinzukommt, ist seine Unermüdlichkeit. Er lässt nie locker, bis seine Arbeit perfekt ist. Diese Eigenschaft sehe ich auch bei dir. Ich weiß, wie sehr du dich in den Wharton-Fall hineingehängt hast. Ich bewundere deine Beharrlichkeit und deine Fähigkeiten. Trotzdem glaube ich, dass ich nicht falschliege, wenn ich jetzt sage, dass deine persönlichen Umstände deine Arbeitsleistung beeinträchtigt haben. Würdest du mir da nicht recht geben?«
Thomas war keineswegs dieser Meinung. Er hatte Mark Blake gesagt, dass im Fall Samuelson Berufung eingelegt worden war, und ihn auch darauf hingewiesen, dass mit einer baldigen Entscheidung des Berufungsgerichts zu rechnen sei. Er hatte ihm dringend geraten, Richter Hirschel darüber in Kenntnis zu setzen. Letztendlich hatte Blake sich vor Gericht blamiert, weil er zu stur war, um auf andere zu hören. Aber das konnte Thomas nicht sagen. Nicht zum leitenden Sozius. Nicht, nachdem das Gericht ein Strafmaß von 900 Millionen Dollar verhängt hatte und der Kanzlei eine Klage drohte.
Sosehr es ihn auch wurmte, er beugte sich Jungers Einschätzung. »Ja, vermutlich haben Sie recht.«
Junger nickte. »Ich lege dir das nicht zur Last. Unterm Strich aber läuft es darauf hinaus, dass du eine Erholungspause brauchst. Deswegen biete ich dir zwei Möglichkeiten an. Die erste ist ein Urlaub. Ich habe nachgesehen. Du hast über acht Wochen Resturlaub. Flieg nach Bermuda oder Bali. Schlürfe Cocktails am Strand. Vergnüge dich mit Priya im Bett. Ruh dich aus.«
Thomas kochte innerlich vor Wut, hielt seine Zunge aber im Zaum. »Und die zweite Möglichkeit?«, fragte er in der Hoffnung, er könnte vielleicht auch Buße tun, ohne völlig von der Bildfläche zu verschwinden.
Junger lächelte. »Die zweite Möglichkeit ist wahrscheinlich eher dein Ding. Über den Verlust des eigenen Kindes kommt man nie ganz hinweg. Aber es gibt Wege, wie man sein Leben trotzdem weiterleben kann. Man muss sich mit etwas beschäftigen, das es wert ist.«
Junger faltete die Hände über dem Knie. »Wie du weißt, bekommt jedes Jahr einer unserer jüngeren Anwälte ein Stipendium, damit er oder sie während dieser Zeit für einen guten Zweck arbeiten kann. Die Kanzlei übernimmt alle anfallenden Kosten, egal, in welchen Winkel der Welt die Reise geht. Wir arbeiten in diesem Zusammenhang mit den Vereinten Nationen, der EU und diversen hochkarätigen Nichtregierungsorganisationen zusammen. Das Auswahlverfahren für das kommende Jahr ist abgeschlossen, aber die Sozii haben sich bereit erklärt, dir ein Ehrenstipendium zu gewähren. Das heißt, falls du das willst.«
Verblüfft starrte Thomas ihn an. Vor seinem geistigen Auge sah er Priya
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