Du bist in meiner Hand
geliefert, sich ihr vorzustellen, und aus diesen ersten Worten war ein längeres Gespräch in einem Café geworden, das ihrer beider Leben verändert hatte.
Er holte das Foto heraus, das er im Fellows Garden von ihr gemacht hatte. Bevor er zum Flughafen aufgebrochen war, hatte er es wieder in seine Brieftasche gesteckt. Er musste daran denken, wie sie ihn im Schatten der knorrigen alten Eiche geküsst hatte. Es war ein scheuer Kuss gewesen, befrachtet mit den Tabus ihrer Kultur und dem Gedanken an ihren Vater. Trotzdem hatte sie ihm damit deutlich zu verstehen gegeben, welche tiefen Gefühle sie für ihn hegte.
Er steckte das Foto wieder ein und trank seinen letzten Schluck Bier. »Namaste, Bombay«, sagte er, während er den Blick noch einmal über die Stadt schweifen ließ. Dann drehte er sich um und ging hinein.
Am nächsten Morgen weckte ihn der Alarm seines BlackBerry. Es war halb acht und der Himmel gelb vor Smog. Thomas prüfte seine Eingänge und fand zwei neue Nachrichten vor. Die eine war von Ashley Taliaferro von CASE , die ihn darüber informierte, dass es bei der Überprüfung seines persönlichen Hintergrunds keinerlei Beanstandungen gegeben habe und er sich bei Jeff Greer melden solle, dem Leiter der Außendienststelle in Mumbai. Die zweite Nachricht stammte von besagtem Greer, der ihn einlud, sich mit ihm um zehn im Café Leopold zu treffen.
Er traf Dinesh in der Küche an, wo sein Freund gerade eine Kanne Chai braute. Sie frühstückten auf der Terrasse mit Blick aufs Meer. Thomas erzählte Dinesh von seiner Ver abredung mit Greer.
»Perfekt«, meinte sein Freund, »dann kannst du mit mir zur Bank fahren und dir von dort ein Taxi nehmen. Jeder Taxi- Walla weiß, wie man zum Leopold kommt.«
Um acht organisierte Dinesh für sie beide eine Auto-Rikscha, die sie zum Bahnhof Bandra bringen sollte. Das Gefährt sah aus wie ein gedrungener gelber Käfer auf Rädern. Der Motor klang wie eine Kettensäge. Als der Fahrer in einen Schwarm identisch aussehender Rikschas eintauchte, die alle die Hill Road entlangtuckerten, hätte Thomas sich am liebsten die Ohren zugehalten.
Die Fahrt zum Bahnhof entpuppte sich als eine Art Straßenschlacht mit lauter Beinahe-Zusammenstößen. Ihr Fahrer war entweder der kühnste Mann auf Erden oder ein absoluter Irrer. Mit fanatischer Hartnäckigkeit drückte er immer wieder auf die Hupe, als könnte der Lärm sie vor den Gefahren seiner Fahrweise schützen.
»Dieser Mann ist wahnsinnig!«, wandte Thomas sich an seinen Freund, wobei er laut schreien musste, um den Wind und den Motorenlärm zu übertönen.
Dinesh lachte. »Dann gilt das auch für alle anderen Rikscha - Walla in Bombay.«
Am Bahnhof kauften sie Fahrkarten erster Klasse und folgten einem steten Strom von Reisenden auf den Bahnsteig. Als der Zug einfuhr, war er derart mit Menschen vollgepackt, dass etliche Männer aus den Waggons hingen, als würden sie nur noch mit den Fingerspitzen Halt finden. Die wartende Menge ließ sich davon nicht abschrecken. Unbeeindruckt drängten die Leute dem Zug entgegen.
Dinesh packte Thomas und schob ihn vorwärts. »Weiter, weiter, weiter!«, rief er, doch seine Stimme wurde von dem allgemeinen Ansturm fast vollständig übertönt.
Thomas ging durch den Kopf, dass sie den Waggon vor ihnen nur durch ein Wunder erreichen würden. Im Abteil einen Platz zu finden, hielt er für völlig ausgeschlossen. Plötzlich aber war er drinnen, und im selben Moment setzte sich der Zug in Bewegung. Etliche Leute liefen den Bahnsteig entlang, und unglaublicherweise sprangen ein paar von ihnen noch auf.
Dinesh amüsierte sich über Thomas’ Unbehagen. »Ich wette, du hast gedacht, in der ersten Klasse ginge es zivilisierter zu!«, rief er.
Thomas wollte eigentlich lachen, aber er war immer noch so verkrampft, dass er nur ein Grunzen herausbrachte.
»Der einzige Unterschied zwischen den Klassen besteht darin«, erklärte Dinesh, »dass die Leute sich in der zweiten Klasse auf Marathi beschimpfen, in der ersten dagegen auf Englisch.«
Der Zug rumpelte in Richtung Süden. Sein Ziel war Churchgate Station, die Endhaltestelle der Linie. Fünfzehn Minuten später fuhr er ins Herz des Geschäftszentrums von Bombay ein. Noch ehe der Zug richtig stand, wurden sie aus dem Waggon gedrängt und von der schnell dahinströmenden Menge den Bahnsteig entlanggeschoben. Thomas folgte Dinesh zum Ausgang. Als sie schließlich draußen an der Straße standen, holte er erst einmal tief Luft.
»Wie
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