Du bist in meiner Hand
werden auf einen möglichst frühen Prozesstermin drängen und unser Bestes geben, damit Ahalyas Zeugenaussage als Beweismittel zugelassen wird.«
»Wie viel Zeit wird bis dahin vergehen?«
Adrian zuckte mit den Schultern. »Bei diesem Verteidiger womöglich Monate.«
Am Samstagmorgen nahmen Thomas und Dinesh ihr Frühstück auf der Terrasse ein, mit Blick auf den graublauen Ozean. Nach dem Treffen mit Priya hatte Thomas seinem Freund die Wahrheit über Mohinis Tod und Priyas Abreise nach Bombay erzählt. Dinesh hatte mit der für ihn typischen Ruhe zugehört und Thomas anschließend in den Arm genommen. Von einer Entschuldigung wollte er nichts hören.
»Jetzt wird mir klar, warum du den ganzen Herbst über nicht auf meine Mails reagiert hast«, bemerkte er trocken.
»Ich war ziemlich neben der Spur«, erwiderte Thomas, und damit ließen sie die Sache auf sich beruhen.
Thomas nahm sich aus der Obstschale auf dem Tisch eine Weintraube und kaute gedankenverloren darauf herum, während er sich fragte, wann Priya sich wohl melden würde. Dreieinhalb Tage waren vergangen, ohne dass er etwas von ihr gehört hatte, und er machte sich langsam Sorgen. Seine Einschätzung ihrer Situation war richtig gewesen: Sie hatten sich derart verheddert, dass sie aus ihrem Schlamassel nicht mehr so einfach herauskamen. Die Vergangenheit war nicht zu ändern, der damit verbundene Schmerz unauslöschbar. Außerdem wünschte sich Priya, dass ihr Vater ihr verzieh. Ein ziemliches Problem waren seine Lügen. Obwohl er weder die Absicht hatte, länger als ein Jahr in Indien zu bleiben, noch seinen Traum vom Richterposten aufgeben wollte, hatte er Priya gegenüber einen anderen Eindruck erweckt. Und dann war da noch die Sache mit Tera.
»Was hast du denn heute vor?«, fragte Dinesh.
»Ich werde wohl ein bisschen lesen«, antwortete Thomas. »Ansonsten weiß ich es noch nicht.«
Dinesh musterte ihn. »Du hast noch nichts von ihr gehört.«
Thomas schüttelte den Kopf.
»Nur Mut! Sie hat gesagt, sie denkt darüber nach. Bestimmt ist sie sehr beschäftigt.«
Thomas wollte gerade etwas antworten, als er sein BlackBerry läuten hörte. Es lag drinnen auf der Küchentheke. Rasch stand er auf und holte es. Als er ihre Nummer auf dem Display sah, wurde ihm schlagartig warm.
»Es ist Priya«, sagte er, woraufhin Dinesh den Daumen hochreckte.
Thomas ging ran. »Hallo?«
»Thomas.« Sie ließ seinen Namen für ein paar Sekunden in der Luft hängen. Die nächsten Worte reihte sie für ihre Verhältnisse ungewöhnlich schnell aneinander. »Ich habe wie versprochen nachgedacht und würde dich gern wiedersehen.«
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. In all den Jahren, die er sie nun schon kannte, war sie immer nur dann nervös gewesen, wenn etwas Wichtiges anstand.
»Gut«, sagte er. »Woran hast du denn gedacht?«
Sie atmete hörbar ein. »Morgen heiratet meine Großcousine. Heute Nachmittag findet beim Haus meines Großvaters das Mendhi ki rasam statt. Da müsste mein Vater eigentlich in Festtagslaune sein. Außerdem werden viele Leute da sein, sodass er gezwungen sein wird, freundlich zu dir zu sein.«
»Hältst du das wirklich für eine gute Idee?«, fragte er skeptisch. Dass sie ihn sehen wollte, erfüllte ihn mit freudiger Erregung, aber bei der Vorstellung, ihrem Vater im Rahmen eines Großfamilientreffens gegenüberzutreten, wurde ihm angst und bange.
»Hast du es dir anders überlegt?«
»Nein, nein, es ist nur … egal. Sag mir, wie ich da hinkomme.«
»Treffen wir uns doch um halb sechs am Eingang zum Priyadarshini Park. Die Taxi- Wallas in Churchgate kennen den Weg.«
»Was soll ich anziehen?«
»Hast du einen Anzug im Gepäck?«
»Ja, aber nur einen.«
»Einer reicht. Und, Thomas …«
»Ja?«
»Vergiss deinen Sinn für Humor nicht. Du wirst ihn brauchen.«
Fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit traf er am Priya darshini Park ein. Die Sonne stand schon tief, und der Himmel leuchtete rot. Als er Priya anrief, ging sie gleich beim ersten Läuten ran. Erneut klang sie nervös.
»Bleib, wo du bist«, sagte sie. »Ich finde dich schon.«
Er hielt vom Straßenrand aus nach ihr Ausschau. Eine Minute später stieg sie aus einer Rikscha und steuerte auf ihn zu. Sie trug einen Salwar Kameez, der die Farbe des tropischen Meeres hatte.
Das geschmackvolle Kleid war weit ausgeschnitten und schmeichelte ihrer mandelfarbenen Haut. Sie war nur sehr dezent geschminkt, mehr hatte sie auch nicht nötig.
Knapp zwei
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