Du bist mein Star!
die tägliche Routine gestört und ihn an einen Ort zurückversetzt hatte, den er nur selten besuchte.
Die Vergangenheit. Jene sonderbare Dimension, auf die man keinen Einfluss gehabt und die dennoch den Menschen geformt hatte, der man den Rest seines Lebens bleiben würde.
Darian hatte nie zu den Jungen gehört, die sich rasiert hatten, bevor es notwendig gewesen war. Aber offenbar hatte er sich schneller entwickelt als alle anderen, denn auf seinen Wangen hatten sich bereits die ersten dunklen Schatten gezeigt, als seine Altersgenossen noch mit Pickeln übersät gewesen waren. Damals war er auch in die Höhe geschossen, seine Schultern waren breit und sein Körper hart und muskulös geworden.
Diese frühe Reife hatte ihn zu etwas Besonderem gemacht – vor allem für die Mädchen –, doch in gewisser Hinsicht hatte er sich, solange er denken konnte, ausgegrenzt gefühlt. Er hatte nie wie die anderen ausgesehen, obwohl er die gleichen Sachen getragen hatte. Seine Haut hatte schon immer einen goldenen Schimmer aufgewiesen, und seine goldbraunen Augen hatten ihn stets aus der Menge hervorgehoben.
Die Mädchen hatten für ihn geschwärmt, und die Jungen hatten ihn deshalb aufziehen wollen, aber er hatte rasch begriffen, dass seine Größe und Statur sie hinlänglich einschüchterten, um ihn nicht weiter zu beleidigen.
Er hatte eine einsame Kindheit verbracht. Als einziges Kind einer allein erziehenden Mutter war er in einer schäbigen Wohnung in einer Gegend von London aufgewachsen, in die Touristen sich nie verirrten. Das an sich war nichts Ungewöhnliches, Armut förderte sämtliche Widrigkeiten menschlicher Beziehungen ans Tageslicht, und Darian hatte nur wenige Elternpaare gekannt, die zusammengeblieben waren – allerdings unter so lautstarken Streitigkeiten, dass er sich gefragt hatte, warum sie sich nicht trennten.
Einige der Kinder hatten jedenfalls gewusst, wer ihre Väter waren. Väter, die entweder mit einer jüngeren Frau durchgebrannt waren oder gelegentlich betrunken bei ihrer früheren Familie auftauchten, und solche, die sich weigerten, den Unterhalt zu zahlen, der ihnen vom Gericht auferlegt worden war. Diese Väter waren leicht zu hassen, aber Darians eigener Erzeuger blieb ein großes Geheimnis. Er hätte lieber jemanden zum Hassen gehabt als gar keinen.
Er hatte versucht, seine Mutter danach zu fragen, aber kaum schnitt er das Thema an, begannen ihre Lippen zu beben, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen – und dabei weinte sie nie. Er hatte gelernt, dass manche Fragen besser ungestellt blieben …
Die Türglocke riss ihn aus seinen Gedanken. Sein Chauffeur war da. Darian nahm sein Jackett und verspürte einen Anflug von Erregung, als er sich in die weichen Lederpolster des Wagens zurücklehnte. Er rechtfertigte dies mit dem heutigen Fotoshooting und damit, dass etwas, das ihn nicht länger herausforderte, nun ein Ende finden würde, doch er wusste, dass es nicht die ganze Wahrheit war.
Die Wahrheit war, dass er das Model wiedersehen wollte. Wie war ihr Name? Lara. Ja, so hieß sie. Ein hübscher Name und ein hübsches Mädchen. Unerschrocken und schlagfertig. Er fuhr sich über die Augen, als die Limousine anrollte, und streckte gähnend die langen Beine aus.
Er war müde. Er war bis in die frühen Morgenstunden auf gewesen, hatte seine Buchführung überprüft und sich gelangweilt – über eine ganze Menge. Wenn jeder Appetit gestillt wurde, fühlt man sich schnell übersättigt, sagte er sich.
Darian fragte sich, wann sein Leben zu einem Monopolyspiel geworden war – nichts weiter als eine Anhäufung von Zahlen, die so groß waren, dass sie irreal wirkten. Aber so war es mit dem Geld – zu viel davon, und es schien sich von selbst zu vermehren, trotzdem hatte man nie genug, und es beherrschte alle Gedanken. Gab es denn keinen Mittelweg?
Vermutlich gab es ihn, den Weg, den die meisten Männer wählten. Ehe und Babys und ein Haus in der Vorstadt. Die tägliche Zugfahrt zur Arbeit und abends nach Hause zum Dinner und einem Drink. Am Wochenende Grillen und Ausflüge zu gemütlichen Landgasthöfen.
Für Darian klang diese Variante jedoch nach lebenslanger Kerkerstrafe. Nach einer mit Sofas und geblümten Vorhängen geschmückten Zelle, vielleicht hatte er nie eine feste Bindung in Betracht gezogen, weil damit unweigerlich Sesshaftigkeit und die Gründung einer Familie verbunden waren. So war der Lauf der Dinge. Bislang hatte keine Frau sein Blut genug in Wallung gebracht, dass
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