Du bist nie allein
rauskriegen.«
Ich bringe ihn wirklich um, dachte sie.
»Soll ich im Wagen warten?«
Es sollte ein Scherz sein, aber das entging Pete natürlich. Sie sah, wie er den Arm anspannte. Pete hielt große Stücke auf seinen Bizeps. Er musterte sich auch mit Vorliebe kurz im Rückspiegel, bevor er in Aktion trat.
»Nein, kommen Sie ruhig mit. Aber überlassen Sie einfach mir das Reden. Und halten Sie schön die Augen auf, Kleine.«
Er sagte es in einem Tonfall, als wäre er alt genug, um ihr Vater zu sein. Dabei tat er seit gerade einmal zwei Jahren Dienst. Obwohl Swansboro alles andere als eine Brutstätte der Schwerkriminalität war, hatte Pete die Theorie entwickelt, dass die Mafia langsam die Stadt unterwanderte und dass er dem einen Riegel vorschieben musste. Petes absoluter Lieblingsfilm war
Serpico.
Aus dem Grund war er auch Polizist geworden.
Jennifer schloss die Augen. Warum musste sie ausgerechnet an diesen Schwachkopf geraten?
»Wie Sie meinen«, sagte sie resigierend.
»Sie sind doch Mike Harris?«, fragte Officer Gandy.
Pete Gandy hatte sich in seine »Ich weiß, die Uniform schüchtert dich ein«-Pose geworfen, und Jennifer hätte ihm am liebsten einen Schlag gegen den Hinterkopf verpasst. Sie wusste, dass Pete seit Jahren mit Mike und Julie bekannt war – im Wagen erwähnte er, dass sich Mike um sein Auto kümmerte und dass er sich im Salon die Haare schneiden ließ. Er hatte nicht einmal Julies Adresse raussuchen müssen. Typisch Kleinstadtleben, dachte sie seufzend. Für jemanden wie sie, der aus der Bronx stammte, war dies eine ganz neue Welt, und sie musste sich wahrlich erst daran gewöhnen.
»O hallo, Pete«, sagte Mike. »Was kann ich für Sie tun?«
»Können wir kurz reinkommen? Wir müssen mit Ihnen reden.«
»Klar«, sagte Mike.
Die beiden Polizisten sahen zögernd auf Singer hinunter. »Keine Sorge, der tut Ihnen nichts«, beruhigte Mike sie.
Sie traten ins Wohnzimmer, und Mike wies mit dem Daumen über die Schulter. »Möchten Sie Kaffee? Hab gerade eine frische Kanne gekocht.«
»Nein, danke. Wir dürfen im Dienst nichts trinken.«
Jennifer verdrehte die Augen und dachte: Das gilt doch nur für Alkohol, du blöder Affe.
Inzwischen war Julie aus der Küche gekommen und stand mit verschränkten Armen in der Tür. Singer lief zu ihr und ließ sich neben ihr nieder.
»Warum sind Sie hier, Pete?«, fragte sie.
Officer Gandy schätzte es nicht, Pete genannt zu werden, wenn er Uniform trug, und war kurz unschlüssig, wie er auf die vertrauliche Anrede reagieren sollte. Er räusperte sich.
»Waren Sie heute Abend im Sailing Clipper, Mike?«
»Ja. Ich habe da mit Ocracoke Inlet gespielt.«
Pete warf Jennifer einen Blick zu, als hätte er eine große Leistung vollbracht. Oh, dachte sie, tolle Sache. Das haben ja auch erst eine Million Leute bezeugt.
»Und waren Sie in eine Auseinandersetzung mit einem gewissen Mr Richard Franklin verwickelt?«
Bevor Mike antworten konnte, trat Julie ins Wohnzimmer.
»Jetzt sagen Sie endlich, was hier vorgeht«, fauchte sie.
Nun kam Pete Gandys großer Moment. Das war bei weitem das Beste an dem Job – abgesehen von den Situationen, wenn er die Knarre ziehen konnte –, selbst wenn er es bei jemandem tat, den er kannte. Dienst blieb schließlich Dienst, und ließ er die kleinen Dinge erst einmal schleifen, würde sich Swansboro im Nu zu Sodom und Gomorrha entwickeln. Allein im letzten Monat hatte er ein Dutzend Strafzettel wegen achtlosem Betreten der Straße verteilt, und ein weiteres Dutzend an Abfallsünder.
»Nun, Sir, ich tue das wirklich äußerst ungern, aber es gibt eine Anzahl Zeugen, die berichten, Sie hätten Mr Franklin grundlos angegriffen. Das verstößt gegen das Gesetz.«
Zwei Minuten später wurde Mike zum Streifenwagen abgeführt.
Kapitel 28
» S ie haben ihn ins Gefängnis gebracht?«, fragte Mabel ungläubig.
Es war Montagmorgen, und Mabel, die übers Wochenende bei ihrem Bruder in Atlanta gewesen war, hatte bisher noch nichts von der Geschichte mitbekommen. Deshalb hatte Julie sie in den letzten zehn Minuten auf den neuesten Stand gebracht. Andrea schnitt bereits einem Kunden die Haare und spitzte angestrengt die Ohren. Seit Julie ihren Bericht begonnen hatte, war ihr Lächeln erloschen, und je mehr sie hörte, desto lieber hätte sie Julie ihre Meinung gesagt, nämlich dass sie keine Ahnung hatte.
Richard war nicht gefährlich! Mike hatte
ihn
angegriffen! Außerdem hatte Richard gar kein Interesse mehr an Julie,
Weitere Kostenlose Bücher