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Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Saalfrank
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teilnehmen zu können –, gilt auf der anderen Seite als nachhaltige Schädigung der Bindung zwischen Mutter und Kind. Wer sein Kind frühzeitig in eine Einrichtung gibt, gilt schnell als »Rabenmutter«. Umgekehrt gelten jene Frauen, die sich dafür entscheiden, ihr Kind die ersten zwei oder auch drei Jahre zu Hause zu betreuen und auf die eigene Berufstätigkeit zu verzichten, den Befürwortern der frühkindlichen Betreuung als rückschrittliche Bewahrerinnen eines konservativen Rollenbildes.
    An dieser Stelle soll nicht für eine der beiden Positionen Partei genommen werden. Es ist mittlerweile erwiesen, dass die frühkindliche Betreuung durch eine Einrichtung nicht zwangsläufig die Bindung zu Mutter oder Vater stören oder belasten muss. Das ist lange Zeit von Gegnern der Krippenbetreuung ins Feld geführt worden. Allerdings ist die Wichtigkeit einer stabilen Bindung zwischen Eltern und Kindern nicht zu unterschätzen und Voraussetzung dafür, dass Kinder Beziehungen auch zu anderen Menschen aufnehmen können. So ist es maßgeblich, dass Eltern bei einer Entscheidung für die häusliche oder außerhäusliche Betreuung nicht nur auf die äußeren Rahmenbedingungen, sondern auch individuell auf ihr Kind und sich selbst schauen.
    Müssen Eltern betreuen lassen (zum Beispiel Alleinerziehende), oder wollen sie eine Betreuung erst mal ausprobieren, und haben sie die Möglichkeit, tatsächlich frei zu wählen und auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen? Viele Familien stehen hier unter Druck und verhalten sich so, dass weder ihnen noch ihrem Kind damit gedient ist. So erzählte mir eine Mutter, dass ihr anderthalbjähriges Kind jeden Morgen beim Abschied in der Kita bitterlich weine. Im Gespräch wurde dann deutlich, dass sich die Mutter gezwungen sah, frühzeitig wieder zu arbeiten, sich selbst aber nicht mit der Situation wohlfühlte. Sie wurde deshalb unsicher und begann in der Folge mit ihrer Entscheidung zu hadern. Aus diesem Grund entschuldigte sie sich bei ihrem Kind schon beim Wecken dafür, dass es gleich in die Kita müsse. Dass das Kind diese Unentschlossenheit intensiv wahrnahm, wurde dann regelmäßig beim Abschied deutlich. Im Folgenden prüfte die Mutter erneut ihre Möglichkeiten und traf dann eine innere klare Entscheidung für die außerhäusliche Betreuung. Nachdem sie sich nun sicher war, hörte nach einigen Tagen das Weinen ihres Kindes auf.
    Das Kind hat hier sehr feinfühlig die innere Unentschlossenheit in Form von Traurigkeit, Unruhe und Nervosität bei seiner Mutter wahrgenommen und durch das Weinen zurückgemeldet: Mama, hier stimmt etwas nicht! Oft ist es so, dass Eltern selbst emotional noch nicht bereit sind, das Kind abzugeben und sich zu trennen. Das Gefühl ist nachvollziehbar, es darf ernst genommen werden und sollte auch bei der Entscheidung, ob eine Betreuung zu Hause oder von einer fremden Person übernommen wird, berücksichtigt werden.
    Unabhängig davon ist es wichtig, dass das Kinderbetreuungsangebot staatlich gesichert und gefördert wird, damit Eltern bei Bedarf darauf zurückgreifen können. Auch muss – angesichts der vorliegenden Erkenntnisse über die maßgebliche Rolle der Bindung und Beziehung im frühen Alter – die Qualität der Betreuung steigen. Das pädagogische Personal muss entsprechend geschult und der Betreuungsschlüssel an die Bedürfnisse der Kinder angepasst werden. Denn die Tatsache, dass eine Einrichtung rund zwölf Stunden Betreuung von Kindern anbietet, sagt noch nichts darüber aus, ob in dieser Betreuungszeit auch Beziehungsarbeit mit Kindern qualifiziert stattfinden kann.
Bildung! Oder: die organisierte Kindheit
    Viele Entwicklungen, die im Bereich Bildung in den letzten Jahren stattgefunden haben, beruhen auf Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Pisastudie, bei der Deutschland auf den hinteren Rängen gelandet war, was unser Selbstbild als moderne Bildungsgesellschaft erschüttert hat. Unsere Gesellschaft ist infolgedessen auf verschiedenen Ebenen in einen blinden Aktivismus verfallen, welcher fatale Folgen für unser Bildungssystem hat und für alle, die sich in diesem System bewegen.
    Viele Eltern unterliegen dem omnipräsenten Leistungsdruck und suchen mitunter schon vor dem Kitaeintritt nach Förderungsmöglichkeiten – aus Angst, sie könnten eine Möglichkeit übersehen, ihrem Kind optimale Startbedingungen zu bieten. Das beständig wachsende Angebot im Bereich Frühförderung ist zwar durchaus umstritten, wird aber dennoch von den

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