Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)
zugrunde liegt. Die Beziehung zu unseren Kindern wird dann von einer Methode, einem Erziehungsstil und nicht von uns selbst bestimmt. Das Ergebnis sind unter Umständen Menschen, die verlernt haben, ihre eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Gedanken ernst zu nehmen, und die stattdessen gelernt haben, zu gehorchen und Verantwortung abzugeben an denjenigen, der sagt, wo es langgehen soll.
Oder wir trauen uns etwas Neues zu, begeben uns in einen persönlichen Dialog mit Kindern. Das bedeutet, wir verlassen alte Sicherheiten, lassen uns auf einen Prozess ein, in dem auch Unvorhergesehenes passieren wird. Wir zeigen uns mit unseren Stärken und Schwächen, beginnen uns selbst ernst zu nehmen und auch die Kinder mit ihrer Individualität, ihren Wünschen, Träumen, Bedürfnissen, Rückmeldungen und Reaktionen. Hier entsteht die Möglichkeit, dass Kinder gesund und selbstbewusst aufwachsen können.
Mein Ziel ist es, dazu beizutragen, möglichst viele psychisch und physisch gesunde, starke und selbstbewusste Kinder in unserer Gesellschaft wachsen zu sehen. Unsere Chance ist heute: Wir wissen, was der eine oder der andere Weg mit Menschen macht und haben die Wahl. Wir können uns entscheiden und Verantwortung übernehmen. Jeder für sich.
Wir dürfen uns trauen, von der Erziehung zur Beziehung kommen. Erziehungsende – Beziehungsanfang! Weg von einer machtvollen Eltern-Kind-Hierarchie, hin zu einer dialogischen, gleichwertigen und konstruktiven Beziehung. Hin zu einem gleichwertigen und authentischen Dialog mit Kindern – eben einer ganz neuen Haltung Kindern gegenüber. Von: »Du bist o. k., so wie ich will!« Zu: »Du bist o. k., so wie du bist!«
BEziehung statt ERziehung
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Antoine de Saint-Exupéry
Ein Plädoyer: Freude an Kindern
In meiner Arbeit erlebe ich immer wieder Eltern, die enorm unter Druck stehen und auch im täglichen Familienleben in Stress geraten. Alles soll »funktionieren«, alles soll »harmonisch« sein. Sie wollen alles gut und richtig machen, sie wollen gute Eltern sein. So kommt mir eine Begegnung mit einer Mutter in den Sinn, die ich stellvertretend für viele Eltern sehe. Diese Mutter kommt wegen ihrer vierzehnjährigen Tochter in die Beratung und wirkt angespannt und besorgt.
Die Sorgen, die sie mitbringt, sind typisch für diese Entwicklungsphase: Es geht um die Ablösung von den Eltern. Wann, wie lange und mit wem darf die Tochter abends wohin weggehen? Wer sind die Freunde der Tochter? Wie können neue Absprachen getroffen und Kompromisse geschlossen werden? Die Mutter wirkt unsicher und ängstlich in Bezug auf ihr Verhältnis zu ihrer Tochter. Ihre Ängste sind nachvollziehbar, genauso wie die Reaktionen der Tochter. Die Zeit ist insgesamt von Veränderungen und Loslassen geprägt – das fällt einer Mutter schwer.
Schließlich jedoch kommt die Mutter im Gespräch zu einem Resümee, das sie selbst zu überraschen scheint: Eigentlich laufe es doch insgesamt ganz gut. Sie und ihre Tochter hätten eigentlich ein ganz gutes Verhältnis. Es sei auch spannend zu sehen, wie sie Verantwortung übernehme und neue Erfahrungen mache. Und eigentlich hielten sie sich an ihre Absprachen und hätten einen guten Kontakt zueinander – auch wenn sie nicht alles über sie wisse. Besonders beunruhigend sei es für sie, dass ihre Tochter oft das Handy zu Hause lasse und nicht erreichbar sei. Verstehen könne sie jedoch, dass ihre Tochter nicht »kontrolliert« werden möchte. Natürlich laufe nicht alles reibungslos im Alltag, es entstünden auch Diskussionen, es komme zu Auseinandersetzungen. Diese, so die Mutter, die zunehmend entspannter wirkt, seien aber gut im Dialog zu lösen. Fazit: Im Großen und Ganzen gesehen, mit Abstand betrachtet, laufe alles gut. Eigentlich! Wenn da nur die Zweifel nicht wären!
Pubertät ist keine Krankheit
Als Pubertät gilt die Zeit ungefähr zwischen dem zwölften und sechzehnten Lebensjahr. Der individuelle Entwicklungsstand kann jedoch stark variieren, in der Adoleszenz sogar um bis zu sechs Jahre. Die Entwicklungsunterschiede sind so groß, dass Normvorstellungen im Umgang mit Jugendlichen wenig hilfreich sind. Die Phase der Pubertät löst bei vielen Erwachsenen Unbehagen aus und ist oft mit einer Reihe von negativen Gefühlen verknüpft. Wir denken an Streit, Ärger, Probleme, Rebellion. Doch das ist eine falsche Vorstellung, die Pubertät muss keineswegs automatisch eine belastete Zeit
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