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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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hatten, gaben sie mir zu den Pillen noch ein Schlafmittel. Ich muß pausenlos geredet haben. Mein Kopf war voller Gedanken, eine Theorie jagte die nächste. Ich hatte zu allem eine Meinung. Ich begriff Dinge, die ich schon immer hinterfragt hatte, und wußte nichts mehr davon, als ich am nächsten Morgen erwachte. Meine Zunge war geschwollen und wund, ich hatte sie in der Panik beinahe durchbissen und konnte froh sein, daß sie nicht genäht werden mußte.
    Asta verbrachte die Nacht auf dem Sofa im Wohnzimmer und blieb zwei Tage. Ohne seine und Jennis Hilfe wäre ich wahrscheinlich für länger als ein Jahr in einer Geschlossenen oder in irgendeinem Psychozentrum gelandet.
    Asta wollte keine Dankbarkeit. Er war wütend und sagte, ich müßte mit diesem Scheiß aufhören, sonst könne er für nichts mehr garantieren. Ich versprach es ihm, ich schwor es ihm. Als ich von der Frau erzählte, legte er den Kopf schräg.
    —    Sie war wirklich da, sagte ich.
    —    Gut.
    -Was heißt gut?
    —    Was soll ich sagen? Ich meine... gut, sie war da. Ich habe sie nicht gesehen, Jenni hat sie nicht gesehen, für dich war sie da, mehr kann ich dir nicht geben.
    Er reichte mir einen Becher Tee, ich lehnte ab.
    —    Sie hat mir gedroht, Asta. Sie hat mir verboten, noch einmal die Tür zu öffnen.
    -Welche Tür?
    —    Die zur Psychose. Sie hat es eineTür genannt. DieTür zur Welt der Schnellen, verstehst du?
    Er drehte den Becher in seinen Händen und nahm einen Schluck.
    —Verstehst du? wiederholte ich.
    —    Dann nimm es als Warnung, sagte er, Wenn du schon nicht auf mich hörst, dann hör auf diese Frau.
    Asta sah auf seine Uhr. Ich begriff, daß er mir kein Wort glaubte. Ich hatte ihn enttäuscht. Er stellte den Becher weg und stand auf.
    —    Ich muß in den Laden. Überleg dir gut, ob du noch hierbleiben willst. So sehr ich auch unsere Clique mag, werde ich das Gefühl nicht los, daß sie die falsche Gesellschaft für dich ist. Hast du schon mal darüber nachgedacht, dir eine eigene Wohnung zu suchen? Jenni hat genug um die Ohren. Ich schieß dir das Geld vor, mh, was meinst du? Mensch, Val, mach einen Neuanfang, such dir neue Freunde, so blöde das auch klingen mag.
    Ich schüttelte den Kopf.
    —    Ich kann hier nicht weg, sagte ich, Ich kann nicht alleine wohnen.
    —    Denk einfach darüber nach, sagte Asta und küßte mich zum Abschied auf die Stirn.

    Ich fand ein Zimmer in einer großen WG direkt am Marktplatz. Ich glaube, Jenni war erleichtert, daß ich bei ihr auszog. Wir sahen uns zwar fast jeden zweiten Tag, dennoch erkannte ich an ihren Blicken, daß sie sich noch gut daran erinnern konnte, wie ich ausflippte. Um sie nicht zu verlieren, erzählte ich ihr alles, was ich Asta erzählt hatte. Es kostete mich Überwindung, darüber zu sprechen. Es war ein wenig, als würde ich ein gut gehütetes Geheimnis preisgeben. Jenni fand es ganz schön abgedreht, sagte aber auch, daß sie mir glauben würde, weil sich niemand »solch einen detaillierten Scheiß« einfach so ausdenken konnte. Ich war erleichtert und spürte, wie ich mich in ihrer Gegenwart entspannte.
    —    Und wenn die Frau wiederkommt, um dir zu drohen, sagte Jenni, Dann schick sie einfach zu mir.
    Ich mußte lachen. Jenni wog nicht mehr als fünfzig Kilo und hätte nicht einmal eine Taube erschrecken können.
    —    Ich schick sie zu dir, versprach ich ihr.
    Die WG gefiel mir. Man ließ mich in Frieden, ohne daß ich das Gefühl hatte zu vereinsamen. Ich weiß nicht, was Jenni und Asta der Clique erzählt hatten. Auf jeden Fall wurde ich für eine Weile in Ruhe gelassen. Von meinen Eltern kam eine monatliche Überweisung, auch Asta legte ein paar Scheine dazu, und wann immer ich Jenni traf, lud sie mich zum Essen ein. Das Leben ging weiter. Ich hielt mich an die Medikamente und kam mit beiden Füßen auf den Boden. Es war möglich, normal zu sein. Ich las, sah Fernsehen, ging spazieren. Zwar saß ich mit gebundenen Händen auf der Reservebank, dennoch war mir klar, daß das eines Tages vorbei sein würde. Ich war nicht ungeduldig. Ich war nur sehr gespannt, was noch kommen würde.

    Nach einem Vierteljahr beschloß ich, in mein altes Leben zurückzukehren.
    Asta fand es eine gute Idee, solange ich es ruhig anging. Er freute sich, als ich die Einladung zu Julians Silvesterparty annahm und versprach mir den ersten Tanz.
    Es wurde ein großes Wiedersehen.
    Ich hatte das komische Gefühl, von einer langen Reise

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