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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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stark genug.
    Ich ließ das Medikament weg und spürte keine Veränderung. Erst nach dem fünften Abend geschah etwas. Ich legte mich mit freiem Kopf ins Bett und stand am Morgen mühelos auf. Ich hatte es im Griff. Nach dem Frühstück drückte ich die restlichen Pillen aus der Verpackung und spülte sie in der Toilette herunter. Zeremoniell verbrannte ich das Rezept für das nächste Medikament im Aschenbecher. Ich glaubte zu wissen, was ich tat. Ich war durchweg konzentriert, der beklemmende Druck in meinem Kopf hatte sich aufgelöst. Nach langer Zeit hatte ich endlich wieder Kontrolle über mein Denken und wartete und fragte mich, was ich tun würde, wenn dieses Mal gar nichts geschah? Was, wenn ich geheilt war?
    Was dann?
    Zwei Tage vergingen. Ich begann wachsam zu werden. Ich begann, vor Nervosität wieder Kette zu rauchen, und deckte ein Tuch über den Fernseher. Keine Ablenkung, keine Musik, nichts. Zum Glück ließ mich Jenni in Ruhe, das Telefon in meinem Zimmer war ausgesteckt, niemand drang zu mir durch. Ich drehte mich um meine eigene Achse, lebte auf meinem eigenen Planeten. Keine Bücher, keine fremden Gedanken, nichts. Alle Tore in mir waren weit aufgestoßen, die Psychose konnte kommen, ich war bereit. Und dann kam sie, und ich hatte gar nichts im Griff.

    —    ... Asta ...
    —    Hallo?
    -Asta, ich ...
    -Val?
    —    ... bin’s ...
    -Val, was ist---
    —... kannst du mal ganz ganz schnell kommen ... ja?

    Asta tauchte eine Viertelstunde später in der Wohnung auf. Ich hörte ihn mit Jenni im Flur sprechen, dann klopfte es an meiner Zimmertür.
    —Val, ich bin’s, Asta, mach auf.
    Ich öffnete die Tür. Hinter Asta stand Jenni, ihre Augen waren geweitet, der Mund zuckte nervös.
    —    Ich will nicht wieder in die Anstalt, sagte ich leise.
    —    Du kommst da nicht rein, sagte Asta.
    —    Ich will da nicht wieder rein.
    —    Ist ja gut, beruhigte mich Asta, Du kommst da nicht rein. Was ist passiert?
    Ich erzählte ihm von den Pillen, die jetzt irgendwo in der Kanalisation schwammen, und daß ich versucht hatte, die Psychose in den Griff zu bekommen.
    -    Aber es hat nicht geklappt, Asta, es hat einfach nicht geklappt.
    Als ich am Morgen das Fenster geöffnet hatte, erwischte es mich. Die Gerüche des Sommers, eine Stimme, das Hupen eines Autos, und plötzlich hatte alles eine tiefe Bedeutung. Die Welt fiel über mich her, und ich bekam Panik.
    —    Ich wollte wieder raus, aber es ging nicht, Asta, es ging einfach nicht.
    -    Gut, beruhige dich. Erst mal ziehen wir dich an, ja?
    Ich sah an mir herab, ich war nackt. Ich sah mich im Zimmer um - Essensreste auf dem Boden, Papierkugeln um Kerzen herum, meine gesamte Kleidung lag in einer Ecke. Auf dem Fensterbrett lagen in einer ordentlichen Reihe poliert und glänzend Tee- und Eßlöffel. Wann hatte ich das alles aufgebaut?
    -Was hast du hier nur getrieben? fragte Asta.
    Ich wußte es nicht, ich begann zu heulen und wiederholte wieder und wieder, daß er mich bitte nicht in die Anstalt schicken sollte.
    —    Bitte, Asta, bitte, paß auf mich auf, bitte ...
    Er zog mich mit Jennis Hilfe an, öffnete das Fenster und löschte die Kerzen. Dann fragte er, ob ich mir sicher wäre, daß alle Medikamente weg sind. Ich nickte und sah ihn und Jenni an. Ihre Augen tänzelten verwirrt, sie trauten mir nicht, sie hatten die Farbe der Angst.
    -    Bitte, sagte ich, Habt doch keine Angst.
    -Wie wäre es mit einem Beruhigungsmittel? fragte Jenni, Oder ein einfaches Aspirin? Was meint ihr, so ein Aspirin könnte Wunder wirken, es---
    -Jenni? unterbrach sie Asta.
    -Ja?
    —    Halt einfach mal den Mund und mach uns einen Tee. Mach uns einen von deinen Kräutertees, hörst du?
    Jenni verschwand in die Küche, und Asta fragte, wie ich mich fühlen würde. Ich zuckte mit den Schultern. Ich mochte die Falten um seinen Mund. Und als er sagte, alles wird gut werden, lächelte ich ihn an und sagte:
    -    Du bist ein guter Mensch.
    -    Du bist auch ein guter Mensch, Val, obwohl du viel Mist baust.
    Da fmg ich wieder an zu heulen. Er hatte recht. Dabei hatte ich mich noch nie als guter Mensch gefühlt. Ich begriff, ich war gut. Und wie ich das dachte, glühten meine Hände rot auf. Das war schön. Ich war einfach gut. Ja.
    Ein Brummen erklang, etwas streifte meine Wange, ich sah auf.
    Oh...
    Es war soweit. Asta hatte etwas gesagt, sein Atem war über mein Gesicht gestrichen, die Langsamkeit hatte eingesetzt. Es war

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