Du bist zu schnell
auch nicht, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich wollte einfach, daß es passiert.
- Marek wird dir das nicht vergessen.
- Ich weiß, aber es hat etwas gebracht,Theo. Ich weiß jetzt, was ich tun muß, was wir tun müssen.
-Wovon redest du?
—Wir stellen den Schnellen eine Falle, sagt Val und lächelt, Das ist mein Plan.
Der Riß in ihrer Oberlippe füllt sich mit Blut, doch bevor sich ein Tropfen lösen kann, leckt ihn Val mit der Zunge weg.
- Eine Falle?
- Genau, eine Falle.
-Val?
-Mh?
- Nimm lieber noch eine von deinen Pillen, ja?
Eine Stunde ist vergangen. Val schläft, Marek ist noch nicht zurück, und ich sitze in der Küche und denke über Vals Plan nach. Er ist simpel und dämlich in einem. Sie will einen der Schnellen für uns greifbar machen. Mehr nicht. Also wenn das alles ist. Sie hat es so erklärt:
— Ein jedes Mal, wenn ich in die Psychose gehe und die Tür öffne, tauchen früher oder später die Schnellen auf. Als wären sie Wächter. Die Zeit gerinnt, und ich werde wie sie. Das sollten wir ausnutzen. Wir stellen ihnen eine Falle und schnappen uns einen von ihnen. Ich weiß, das klingt verrückt, aber bisher war ich allein, mit eurer Hilfe könnte es klappen. Stell dir vor, was er uns alles verraten könnte! Was aber noch wichtiger ist — Marek und du, ihr würdet endlich sehen, daß sie echt sind. Das ist mir wichtig. Daß ihr sie seht. Und wenn wir das schaffen, haben wir auch Jennis Mörder.
Ihre Augen strahlten, als sie das sagte. Sie griff immer wieder nach ihrem Glas, drehte es in der Hand und leckte sich über ihre wunde Lippe.
— Und du meinst, die anderen Schnellen lassen das zu? fragte ich.
— Sie wissen ja nichts davon, es wird sie also überraschen. Keiner von denen denkt doch daran, daß wir Zurückschlagen könnten. Wir drehen den Spieß um. Sie haben auch nicht damit gerechnet, daß ich sie mit Jenni übers Internet suche. Der neue Plan wird sie kalt erwischen, da bin ich mir sicher, das wird klappen.
Ich konnte beobachten, wie die Müdigkeit sie trotz des Enthusiasmus mehr und mehr überkam. Langsam, aber stetig verschwand die Energie aus ihren Augen. Es war wie die Ausblende in einem Film.
— Ich denke darüber nach, hatte ich ihr versprochen, und eine Stunde später habe ich noch immer keinen klaren Gedanken in meinem Kopf.
—Theo?
— Ich bin in der Küche.
Val kommt aus dem Schlafzimmer. Ihre bloßen Füße tapsen über die Dielen, dann steht sie in ihre Decke gewickelt im Türrahmen, Arme vor der Brust verschränkt, ein Fuß auf dem anderen.
— Ist er immer noch weg?
— Er kommt schon zurück, sage ich.
— Hast du nachgedacht?
— Ich bin dabei, aber ich will, daß du weißt, warum ich das alles mache.
Val nickt und setzt sich zu mir an den Tisch.
— Mir ist egal, wer die Schnellen sind, wo sie herkommen oder warum es sie überhaupt gibt. Von mir aus können sie die Welt versklaven oder eine Fernsehserie drehen, das juckt mich nicht. Ich will nur dem gegenübertreten, der Jenni umgebracht hat, das ist alles, der Rest ist mir egal.
Val sagt, das sei ihr schon klar gewesen.
— Gut, sage ich, Dann hätten wir das geklärt. Kommen wir zu deinem Plan. Ich will, daß Marek mit dabei ist. Du mußt ihn überzeugen.
— Ich verspreche es dir, meint Val, Sobald er zurück ist, rede ich mit ihm.
Sie reibt sich über die Arme.
— Könnte ich mich schnell waschen? Ich habe das Gefühl, Ameisen krabbeln unter meiner Haut.
Ich hole ihr Handtücher aus dem Schrank und stelle die Heizung im Bad an. Val bittet um einem Waschlappen, auch den gebe ich ihr und lasse sie allein.
Ich setze Wasser für Tee auf. Während ich warte, daß es kocht, schaue ich in den verschneiten Hinterhof und erinnere mich, daß außer uns noch immer niemand von Jennis Tod weiß. Wie lange will ich das noch aufschieben?
Ich stelle die Gasflamme unter dem Kessel klein und hole das Telefon aus dem Wohnzimmer.
Wen zuerst?
Ich tippe 110 und unterbreche die Verbindung.
Es wird komisch aussehen, wenn ich nicht zuerst Jennis Eltern anrufe und frage, wo sie steckt.
Ich tippe die Nummer ihrer Eltern und unterbreche die Verbindung.
Das Telefon in meiner Hand knackt, ich lockere meinen Griff und starre auf den Boden. Ich weiß nicht, wie lange ich schon da stehe — das Telefon am Ohr und das monotone Freizeichen im Kopf — als mich Vals Schrei zusammenschrek-ken
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