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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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wieder still.
    —    Er sollte lieber nicht wach werden, sagt der Mann und sieht zu mir hoch, Wie wäre es, wenn ich ihm sein Gesicht abziehe? Und dann klebe ich es ans Fenster, und sobald er erwacht, wird es das erste sein, was er sieht.
    Ich fange an zu weinen, zittere am ganzen Körper. Die Frau winkt den Mann zu sich. Er taucht neben uns auf. Wir bilden ein Dreieck. Ich glaube die beiden zu riechen - eine Mischung aus Ozon und glühendem Metall.
    —Was ... was wollt ihr?
    Die Frau lächelt. Sie hat kleine, an den Enden abgerundete Zähne.
    —    Uns in Erinnerung rufen. Dich wissen lassen, daß du uns am Herzen liegst. All das.
    —    Bis zum nächsten Mal, sagt der Mann und löst sich vor meinen Augen auf. Er wird zu einer Bewegung aus Farben und Formen. Ich spüre ihn hinter mir, seine Hand legt sich über meinen Mund und schiebt mir etwas zwischen die Lippen.
    —Werde nicht nachlässig, sagt die Frau.
    -    Denk an uns, sagt der Mann.
    Sie warten, bis ich die Pillen geschluckt habe. Dann hebt die Frau die Hand. Ich spüre einen leichten Schlag gegen die
    Schläfe und liege auf dem Dielenboden. Mein Hinterkopf schmerzt, die Beine prickeln, als wären sie eingeschlafen. Ich blinzle verwirrt. Theos Gesicht erscheint über dem Sofarand. Im Dunkeln sehe ich ein Glitzern, seine Augen sind unangenehm weiß.Theo sagt:
    —    Bist du gefallen?
    Ich will schreien, mein Mund schnappt lautlos auf und zu - in Theos Gesicht ist jeder Muskel zu sehen, die Augen sind ohne Lider, seine Zähne erinnern an Perlen, die Haut ist verschwunden.
    Ich kneife die Augen fest zu.
    Als ich sie wieder öffne, ist es still. Keine Uhr tickt, keine Rohrleitung rauscht, und durch die Fenster fallt blaues Mor-genlicht.
    —Theo?
    Ich springe aus dem Bett und renne ins Wohnzimmer. Theo schläft auf dem Sofa, das Buch liegt neben der Brille auf dem Glastisch, das Zimmer ist leer. Ohne zu zögern schalte ich das Deckenlicht an.
    -Was ist...
    Theo schirmt seine Augen ab. Er greift nach seiner Brille und setzt sie auf. Ich drücke mir die Hand auf den Mund und bin so erleichtert, daß ich beinahe loskichere.
    -Was ist los? fragt Theo, Hast du schlecht geschlafen?
    Er rutscht zur Seite, ich setze mich neben ihn.
    —    Beruhige dich, du zitterst ja.
    Er legt einen Arm um mich, und so sitzen wir eine Weile. Dann schlägt Theo vor, mir eine heiße Milch zu machen. Ich schüttle den Kopf.
    —    Bleib bei mir, sage ich und drücke mich an ihn, bis er seine Brille wieder absetzt und es sich auf dem Sofa bequem macht. Und so liegen wir bis in den späten Morgen hinein — ich an Theo geklammert, er mit den Armen um mich.
    Ich erwache als erste und trenne mich von Theo, ohne ihn zu wecken. Nachdem ich ihn wieder zugedeckt habe, löse ich im Bad den Verband von meinen Händen und wasche mir das Gesicht. Beim Abtrocknen sehe ich, daß mein Kosmetiktäschchen vom Regal gefallen ist. Ich kniee mich hin und räume die paar Sachen ein, die sich auf dem Boden verstreut haben. Lippenstift, Tampons, Haarspangen. Als ich in das Täschchen schaue, finde ich meine Pillen nicht. Ich suche auf dem Boden. Sie bleiben verschwunden.
    Ein mulmiges Gefühl macht sich in meinem Magen breit. Ich will nicht panisch reagieren. Ich möchte das Licht ausmachen und in die Küche gehen, um in aller Ruhe Kaffeewasser aufzusetzen. Das ist mein Plan. Statt dessen gehe ich ins Wohnzimmer zurück und bleibe vor dem Sofa stehen. Ich entdecke die Pillenschachtel auf den Dielen neben einem der Tischbeine und hebe sie auf.
    Zwei Pillen fehlen.
    Ich gehe mit der Schachtel ins Bad und lege sie in mein Kosmetiktäschchen. Danach setze ich Wasser auf und warte, daß Theo wach wird. Es gibt keinen Grund, ihm das zu erzählen. Es reicht, wenn ich in Panik gerate. Es gibt keinen Grund, ihn in Panik zu versetzen. Ich habe das im Griff.
    THEO
1
    - Es ist für dich.
    -Was?
    Ich sehe ein Knie, eine kleine Narbe auf dem Oberschenkel, feine, goldene Härchen. Val steht vor mir, Handtuch um den Kopf gebunden, in T-Shirt und Slip. Sie muß eben aus dem Bad gekommen sein. Als ich mich aufsetze, rutscht die Decke von mir und fallt vom Sofa. Val hält mir den Telefonhörer entgegen.
    —    Es ist für dich, irgendein Berghoff.
    Ich greife nach meiner Brille.
    —    Danke. Hallo?
    -Tag, Berghoff mein Name. Spreche ich mit Herrn Kerst? Wir stehen hier mit einer Lieferung für Sie, aber uns macht keiner auf. Da dachten wir, rufen wir mal durch, vielleicht hören Sie ja das

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