Du bist zu schnell
wenn Marek wirklich mit ihnen zu tun hat, was ich sehr annehme, dann wird er nicht einfach so verschwinden. Er kennt meinen Plan. Und wenn er ihn kennt, dann kennen ihn die Schnellen auch. Garantiert wollen sie nicht, daß einer von ihnen in unsere Falle läuft. Nein, ich bin mir sicher, Marek wird zurückkommen und ein perfektes Alibi haben.
— Gut, aber was ist, wenn er nicht zurückkommt? fragt Theo noch einmal nach.
Ganz kurz glaube ich, er will mich reizen. Dann begreife ich, daß Theo es ernst meint. Für ihn besteht die Möglichkeit, daß Marek spurlos verschwindet. Ich habe nicht einen Moment daran gedacht.
- Keine Ahnung, was dann ist, sage ich und merke, daß ich lüge. Ich weiß schon, was dann wäre. Sollte Marek spurlos verschwinden, würde mir das mehr Angst machen, als ihn zur Rede zu stellen. Sein Verschwinden könnte alles bedeuten. Es könnte auch heißen, daß ich mich täusche und die Schnellen ihn getötet haben.
Das Haus ist gemütlich aufgeheizt. Theo legt Holz nach, wir wärmen uns auf, dann geht es wieder in die Kälte. Theo holt zwei Spaten aus dem Schuppen und wir stellen uns der Schneewehe, die die Haustür versperrt.
Zwanzig Minuten später haben wir das Gefühl, den Mount Everest verlegt zu haben. Was in Wirklichkeit verlegt wurde, ist ein kleiner Haufen Schnee.
— Da gehen wir doch lieber weiter durch das Fenster rein und raus, sagt Theo und öffnet seinen Mantel. Dampf steigt von seinem Pullover auf, das Haar klebt schweißnaß auf seiner Stirn.
— Ich bin auch für das Fenster, sage ich und lasse mich rückwärts auf die Schneewehe fallen, Und ein paar Cocktails wären auch nicht schlecht.
Theo holt uns Apfelsaft, wir stoßen an und liegen auf der Schneewehe, bis wir uns erholt haben. Danach geht Theo ins Haus, um zu duschen. Ich bringe die Spaten in den Schuppen und umrunde einmal das Haus. Egal, in welche Richtung ich sehe, ich finde keine Spur von der Straße. Es ist kein Schneeschieber unterwegs.
— Glaubst du, die Straßenwacht weiß überhaupt, wie es hier draußen aussieht? frage ich Theo, nachdem ich meine verschwitzten Sachen aufgehängt habe.
— Wir sind nicht die einzigen, die eingeschneit sind, antwortet er, Bestimmt hat einer der Nachbarn beim Amt angerufen. Mach dir keine Sorgen, wir kommen hier weg. Auf dem Land dauert einfach alles länger.
Um es genau zu sagen, dauert es neunundachtzig Seiten eines Romans von Rafael Yglesias. Ich habe mich mit dem Buch und einem Becher Tee vor den Kamin gesetzt, nachdem Theo mich aus dem ersten Stockwerk vertrieben hat. Das Einsetzen der Isolierung war keine Arbeit für mich. Ich hielt Theos Rhythmus auf, und als er sagte, es wäre wohl besser, wenn ich ein wenig lesen würde, verzog ich mich nach unten.
Gegen drei höre ich das Dröhnen des Schneeschiebers. Ich rufe Theo, und wir gehen zusammen raus. Der Fahrer ist ein dürrer Kerl, der Alfons heißt und nichts dabei hat, mit dem er uns aus dem Schnee ziehen könnte. Theo sucht eine Weile im Schuppen, findet aber kein Seil.
- Ich könnte euch mit in die Stadt nehmen, schlägt Alfons vor, Wird aber eine Weile dauern, die Karre fährt nicht schnell, da dauert es eben länger, mit all dem Schnee und so.
Theo bedankt sich, das sei nicht nötig. Alfons verspricht, gleich morgen früh mit einem Abschleppseil vorbeizukommen.
- Falls das Wetter nicht verrückt spielt, sagt er und sieht in die Wolken, Wird schneien, aber so richtig mal wieder.
Ich sehe auch in den Himmel, wo nur ein paar erstarrte Wolken zu sehen sind.
- Kein Wind, sage ich.
- Braucht’s nicht, sagt Alfons und steigt auf seinen Schneeschieber. Er fahrt die Anhöhe hinunter und hinterläßt eine Spur aus Streusand. Als er die Straße erreicht hat, schlägt sich Theo gegen die Stirn.
- Wir hätten ihn fragen können, ob er uns den Hauseingang freikehrt.
- Morgen, sage ich.
—Wenn es noch mehr schneit, sagt Theo, Dann ist das Haus bis morgen verschwunden.
Wir lachen, und ich stelle mir vor, wie das wäre, hier draußen mit Theo zu leben, an seiner Seite zu erwachen, durch die Landschaft zu laufen, sich über belanglose Dinge
zu unterhalten, kochen, essen, schlafen, eine Familie gründen ---
Habe ich das eben wirklich gedacht?
Ich sehe Theo an, wie er zum Haus stapft. Jenni würde mich verstehen. Jenni wüßte, daß es nichts mit ihrer Beziehung zu Theo zu tun hat.
-Theo, warte!
Er dreht sich um, duckt sich aber viel zu spät, ich
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