Du Durchschaust Mich Nicht
damit rechnete er nicht. Keiner der Zuschauer dachte daran, dass ich die Uhr jetzt noch stehlen würde. Das könnte doch auch gar nicht mehr funktionieren, jetzt, wo wir über die Uhr sprachen, alle Aufmerksamkeit auf ihr liegen würde. Falsch gedacht! Genau in diesem Moment war der beste Moment, um die Uhr des jungen Mannes zu stehlen. Mit der schlagfertigen Antwort kreierte ich den Offbeat.
Nun kümmerte ich mich um einen Vorwand, der ihn noch weiter ablenken und mir Nähe, also den nötigen Körperkontakt, verschaffen würde. Ich leitete einen Kartentrick ein und gab dem Zuschauer zwei Spielkarten. In jeder Hand hielt er nun eine Karte. Ich kündigte an, dass diese Karten in wenigen Sekunden durch mentale Magie die Plätze tauschen würden, und ergriff die beiden Handgelenke des Zuschauers. Ich stand zu seiner Linken, so dass meine rechte Hand auf sein linkes Handgelenk kam, meine linke Hand fasste nach seinem rechten Handgelenk. Ich schüttelte seine Hände leicht und zählte bis drei.
Die Zuschauer erwarteten den Effekt der Kartenwanderung, nachdem ich ausgezählt hatte – der Fokus richtete sich also auf die Spielkarten. In dieser Zeit arbeiteten die Finger meiner rechten Hand bereits emsig am Diebstahl der Uhr. Zuerst öffnete ich den Verschluss: Hierbei zogen Zeige- und Mittelfinger das eine Ende des Armbands aus der Lasche, um es in einer zweiten Bewegung ruckartig nach hinten zu ziehen und somit den Pin aus dem Loch zu bekommen, dies merkte der Uhrenbesitzer nicht, weil ich seine Hände zur gleichen Zeit schüttelte. Die Uhr lag nun frei auf dem Handgelenk. Sobald ich zu Ende gezählt hatte, ließ ich die Handgelenke des Zuschauers in einer schnellen, aber immer noch natürlichen Bewegung los, damit er nachsehen konnte, ob der Effekt der Kartenwanderung stattgefunden hatte.
Niemandem war aufgefallen, dass sich die Uhr des Zuschauers nicht mehr an seinem Handgelenk befand. Der Aufmerksamkeitsfokus war auf die Karten gerichtet. Auch der junge Mann spürte das Fehlen der Uhr nicht und drehte die Karten herum, um nachzuschauen, welche Karte sich wo befand. Während er dies tat, band ich mir die Uhr hinter meinem Rücken mit wenigen Handgriffen selbst um. Die Enttäuschung, dass die Spielkarten ihren Platz nicht getauscht hatten, war nicht so groß wie die Überraschung, dass ich plötzlich seine Uhr trug!
Ein weiterer Offbeat und somit eine geniale Möglichkeit für eine daran anschließende Illusion bietet sich witzigerweise bei der Rückgabe eines Gegenstandes. Und mit meinem jungen vorwitzigen Showgast hatte ich natürlich große Lust, noch weitere Späße zu treiben. Ich bot ihm an, ihm die Uhr wieder anzulegen, zog das Armband aber nur durch die Lasche, ohne jedoch den Pin durch das Loch zu stoßen. Danach bewegte ich den linken Arm des jungen Mannes nach unten und lenkte ihn ab, indem ich ihn fragte, mit wem er denn in die Show gekommen sei. In diesem Moment nahm ich die Uhr erneut ab und steckte sie heimlich in meine Jackentasche.
Ich gab seiner hübschen Freundin die Hand, wünschte den beiden noch einen schönen Abend in der Show und ging mit den Worten »Und passen Sie gut auf Ihre Uhr auf!« wieder in Richtung Bühne. Der zweite Uhrenklau gefiel dem Publikum noch besser als der erste, nur der junge Mann war völlig irritiert und lachte wohl aus Unsicherheit mit. Im weiteren Verlauf der Show war er ganz brav und hat auch nicht mehr dazwischengerufen.
In meinen Shows gestalte ich einen großen Offbeat gern mit der Ankündigung der Pause. Sobald die Zuschauer das Wort »Pause« auch nur hören, entspannen sie sich und sind automatisch abgelenkt. Sie denken vielleicht:
Okay, die erste Hälfte war schon mal sehr gut.
Oder:
Ich muss zur Toilette/etwas trinken.
Oder:
Farid sieht unbeschreiblich gut aus.
Und genau in diesem Moment tausche ich mit meinem Kameramann Pierre, der irgendwo mitten im Publikum steht, den Platz, und er ist auf der Bühne am Mikrophon und ich mit der Kamera im Publikum. Und wenn ich blitzschnell sage, dann meine ich wirklich so schnell wie der Blitz, es ist ein heftiger Effekt. Die Leute sind manchmal richtig erschrocken.
Unvergessliche Illusionen durch Schauspielkunst und dramatische Struktur
Schauspieler wie Magier müssen eine andere Realität auf die Bühne bringen, die so glaubhaft ist, dass das Publikum sie nicht anzweifelt. Ein Schauspieler sollte die Rolle, die er spielt, daher so lebendig verkörpern, dass die Zuschauer überzeugt sind, er ist in diesem Moment
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