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Du Durchschaust Mich Nicht

Du Durchschaust Mich Nicht

Titel: Du Durchschaust Mich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Farid
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zu kaschieren.
    Ich spiele oft mit diesem Phänomen, zum Beispiel wenn mich jemand in einem eher dunklen Raum um ein Foto bittet. Stehen wir nah an der Kamera, so weiß ich, dass ich direkt nach dem Blitzlicht einen Moment für eine geheime Bewegung habe. Habe ich etwa ein Getränk in der Hand, mache ich zuvor darauf aufmerksam, indem ich sage: »Ist es schlimm, wenn das Glas mit drauf ist? Oder muss ich es verschwinden lassen?« Mit dieser rhetorischen Frage habe ich einen Lacher sicher – denn wenn ich das Wort »muss« benutze, traut sich niemand, darauf zu bestehen. Sollte dies doch einmal passieren, so würde ich vielleicht diese Antwort geben: »Okay, das machen wir nach dem Foto.«
    Aber zurück zur Sache: Das Getränk wurde also wahrgenommen. Sobald das Blitzlicht jetzt aufzuckt, stelle ich, falls ein Tisch oder ein Tresen vorhanden ist, das Glas heimlich und mit einer sehr schnellen und gezielten Bewegung hinter der Person ab – oder stecke es in eine meiner hinteren Hosentaschen.
    Ein Tipp, falls du das mal nachmachen möchtest: Das Glas sollte nicht so voll sein, und du solltest den Trick vorher ein paarmal geübt haben. Und lass dich nicht anrempeln …
    Direkt nach dem Schnappschuss sage ich dann zum Beispiel: »Hey, er hat die Getränke weggeblitzt«, oder ich frage, ob jemand mein Getränk gesehen hat. Sollte ich nichts in den Händen haben, versuche ich, etwas erscheinen zu lassen, oder lasse noch etwas verschwinden, etwa eine Brille, die aus einer Jacketttasche hervorlugt, oder einen Kugelschreiber aus der Hemdtasche. Diesen Gegenstand stecke ich dann heimlich ein und gebe ihn als Souvenir zurück, wenn ich mich verabschiede.
     
    Wo wir gerade beim Entwenden sind: Auch den Tastsinn kann man manipulieren. Wenn ich dir zum Beispiel in meiner Show eine Uhr entwenden möchte, natürlich ohne dass du es mitbekommst, dann muss ich die Uhr an deinem Handgelenk bloß fest andrücken. Du spürst diesen Druck auch noch, wenn ich ihn gar nicht mehr ausübe. Während ich deine Aufmerksamkeit zu etwas anderem hinlenke, sagen wir einem Schmuckstück, das du um den Hals trägst, öffne ich mit geschickten Griffen den Verschluss deiner Uhr. Du kannst sicher sein, dass du es nicht bemerken wirst, weil du immer noch meinst, den Druck der Uhr auf deiner Haut zu spüren, obwohl diese sich längst auf dem Weg in deine Jackentasche befindet.
    Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die Sinne zu täuschen. Mit Hilfe des einen Sinns kann ich auch einen anderen Sinn täuschen. Der Tastsinn und der Gleichgewichtssinn etwa sind stärker als das Visuelle, das wiederum den Hörsinn dominiert. Deshalb funktioniert es auch immer wieder, wenn Trickdiebe ihr Opfer anrempeln, bevor sie ihnen in die Handtasche greifen, um die Geldbörse zu entwenden. Wird man angerempelt, ist man damit beschäftigt, das Gleichgewicht wiederherzustellen – und lässt es beinahe gleichgültig zu, dass sich derjenige oder ein Komplize ganz nah an unserer Seite befindet. Er braucht nur wenige Sekunden und ist auch schon verschwunden, wenn wir gerade erst wieder fest mit beiden Beinen auf dem Boden stehen.
     
    Es gibt noch einiges, was man als Magier wissen sollte. Zum Beispiel funktionieren Kunststücke besser, wenn man mit der Hand geschwungene Bewegungen macht statt gerade, direkte. Denn der Blick folgt in der Regel einer geschwungenen Bewegung aufmerksam und lässt sich durch sie daher wunderbar ablenken; bei einer linearen Bewegung nimmt der Blick des Zuschauers das Ende vorweg, und die Aufmerksamkeit lässt nach, wodurch die Gefahr besteht, dass der Trick durchschaut wird.
    Offene Ablenkung, etwa der Knalleffekt, während eine Blume hervorgezaubert wird, ist eine veraltete Form. Wie du dir sicher schon denken kannst, arbeite ich vorrangig mit verdeckter Ablenkung, die psychologisch vorgeht und zu meinem moderneren Stil besser passt. Pyro-Effekte, etwa der laute Knall beim Erscheinen eines Fahrzeugs, unterstreichen bei mir höchstens einen Trick und werten die Show auf, ähnlich wie bei einem Rockkonzert, aber sie dienen nicht der Ablenkung.
     
    Ein sehr wichtiges Mittel der Ablenkung ist die Rhetorik – die Kunst, mit Hilfe der Rede einen Menschen von einer Aussage zu überzeugen oder ihn zu einer Handlung zu bewegen. Wenn alles andere versagt hat und ich keine andere Möglichkeit mehr habe, um von etwas abzulenken bzw. die Blicke von etwas abzulenken, dann helfe ich mir rhetorisch aus der Patsche.
    Beispiel: Ich zeige einem jungen Mann aus

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