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Du Durchschaust Mich Nicht

Du Durchschaust Mich Nicht

Titel: Du Durchschaust Mich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Farid
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dem Publikum, nennen wir ihn Marc, auf der Bühne gerade ein Zauberkunststück. Auf einem Tisch vor uns liegt ein Gegenstand, den ich verschwinden lassen möchte. Dazu muss Marc aber aufhören, diesen Gegenstand mit Blicken zu fixieren. Er scheint ein sehr skeptischer Zuschauer zu sein. Jetzt sage ich in einem sehr bestimmten Ton, während ich ihm fest in die Augen schaue: »Marc …«
    Und zack!, wendet sich sein Blick mir zu, und alle anderen Blicke im Zuschauerraum wenden sich Marc zu, und ich kann den Gegenstand in einem Geheimfach verschwinden lassen. Marc konnte gar nicht anders, als mich anzusehen! 99  Prozent aller Menschen schauen einem beim Aussprechen ihres Namens direkt in die Augen. Probiere es aus!
    In meiner Nailgun-Nummer, von der ich bereits berichtet habe, gab es auch einen bedeutsamen Redeanteil: Ich musste Mareile Höppner bestimmend und zugleich höflich durch die Illusion lotsen. Schließlich musste ich sie zweimal dazu bringen, eine Nailgun auf mich abzufeuern, von der sie selbst nicht sicher wusste, ob sie geladen war oder nicht. Sie musste mir also absolut vertrauen.
    Als sie die erste Nagelpistole nahm, immerhin 25  Prozent Wahrscheinlichkeit, dass sie geladen war, wollte sie mir die Nagelpistole zum Abdrücken übergeben. Ich tat Folgendes:
    Ich ließ keine Möglichkeit zur Diskussion.
Ich vermittelte: Das ist ein geplanter Ablauf. Sie soll schießen.
Ich nahm ihr die Pistole nicht aus der Hand, sondern griff an der Pistole vorbei an ihr Handgelenk, um ihre Hand mit der Nailgun an meinen Körper zu führen.
Ich hielt festen Blickkontakt.
Ich redete in einem bestimmenden Tonfall und vermied es, Angst oder Unsicherheit auszustrahlen.
Ich nutzte das Timing und überbrückte das Warten, bis die Spannungsmusik einsetzte, denn ab diesem Moment steigt die Hemmschwelle, das mentale Experiment abzubrechen.
    Nach der Show sagte Mareile in einem Interview, sie hätte erst später begriffen, was vor sich gegangen sei, und könne nicht fassen, abgedrückt zu haben. Dies hätte sie nie für möglich gehalten.
     
    Ein besonderes rhetorisches Mittel, das Ablenkung produziert, ist der Offbeat. Ich nutze diese Form der Ablenkung sehr häufig; zum einen liegt mir der Offbeat, zum anderen kann ich in diesen Momenten viel umsetzen. Der Offbeat ist eine bestimmte Phase einer Illusion, in der der Zuschauer gewissermaßen zur Ruhe kommt. Das kann nach einem gelungenen Effekt oder nach einem Witz, also einer rhetorischen Pointe sein.
    Am besten, ich beschreibe es mal an einer Beispielillusion, nehmen wir das Verschwindenlassen einer Münze. Stell dir vor, du siehst mich in dieser Close-up-Nummer mit Münze, du sitzt also in guter Sichtnähe zu mir. Ich zeige dir die Münze mit einer magischen Geste, bevor ich sie in meiner Faust einschließe. »Meine Damen und Herren, bitte konzentrieren Sie sich, die Münze ist verschwunden!«, hörst du mich sagen. Und ohne die Hand zu öffnen, spreche ich nach einer kunstvollen Pause weiter: »Und … jetzt! Jetzt ist sie wieder da!« Bei diesen Worten öffne ich die Faust erneut mit einer magischen Geste, und klar, da liegt die Münze sichtbar in meiner Hand.
    Du guckst mich an und lachst, na gut, du schmunzelst vielleicht auch nur. Aber genau dieser Scherz endete mit einem Offbeat! Die natürliche Reaktion ist ein Lachen oder Schmunzeln mit Blickkontakt. In diesem Offbeat werfe ich die Münze manchmal unbemerkt in meine Hosentasche, tue aber weiterhin so, als wäre sie in meiner Hand. »Okay, okay, okay, ich zeig es noch mal: Ich konzentriere mich und … Boooom, die Münze ist verschwunden.« Und tatsächlich, diesmal ist sie weg. Und du baff, weil du nicht mitbekommen hast, dass die Münze in meine Hosentasche gewandert ist.
    Der Offbeat in der Magie ist der Moment, in dem der Zuschauer völlig entspannt ist und nicht mehr mit einer Überraschung rechnet. Und genau da trifft ihn der Effekt am härtesten!
    Einmal hatte ich in einer Show einen Typen von der vorwitzigen Sorte, gleich in der ersten Reihe. Er rief mir laut zu: »Stiehl doch meine Uhr, wenn du so gut bist.« Ich konterte souverän: »Ach, wie schade, jetzt hast du alles kaputtgemacht«, und ging lachend auf ihn zu. »Genau das hatte ich gerade vorgehabt. Hm, jetzt klappt es natürlich nicht mehr.«
    BOOM  – abgelenkt! Die natürliche Reaktion auf eine schlagfertige Antwort ist ein Lachen, und dieser Scherz lenkte besser von der Uhr ab als alles andere. Dass er mir also eine super Vorlage geboten hatte,

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