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Du Durchschaust Mich Nicht

Du Durchschaust Mich Nicht

Titel: Du Durchschaust Mich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Farid
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weshalb wir die Sofaecke kurz verließen. Während wir warteten, dass sich das Bild entwickelte, machte ich scheinbar einen Kartentrick mit ihm; aber der Trick sollte gar nicht funktionieren, weil es eigentlich um ganz andere Effekte ging, von denen ich Stefan und alle anderen aber schon die ganze Zeit über ablenkte. Doch um diese heimlichen Effekte zu erkennen, brauchte ich das Foto.
    Am Ende bat ich Stefan, mich mit dem Polaroid zu vergleichen. Er war völlig perplex, denn an mir hatte sich in der Zwischenzeit, ohne dass es jemand bemerkt hätte, so einiges verändert! Statt des schwarzen T-Shirts auf dem Foto trug ich jetzt ein weißes. Meine Ohrringe und mein Fingerring waren komplett verschwunden. Wie das?
    Ganz einfach, mit Hilfe von Ablenkung: Während ich nach dem Fotoschießen zum Sofa zurückmarschierte, wechselte ich unbemerkt mein T-Shirt. Niemand hatte das mitbekommen, denn alle waren auf das Polaroid konzentriert, so dass ihnen der wesentliche Effekt entging.
    Doch noch etwas hatte ich genutzt: Durch die große Bewegung des Gehens durch den Raum hatte ich Deckung für die kleinere Bewegung des T-Shirt-Wechsels. Denn das ist auch eine Regel: Eine große Bewegung deckt eine kleinere, also sie lenkt von der kleineren ab. Um diesen Weg für die große Bewegung des Gehens überhaupt zu haben, hatte ich den Vorwand, dass das Publikum auf dem Bild auch zu sehen sein sollte, angebracht. Somit war es niemandem seltsam vorgekommen, dass wir uns durch das Studio bewegten. Das ist bei der Kunst der Ablenkung wichtig, jede Handlung, jede Geste muss dem Zuschauer plausibel sein, sonst wundert er sich, und seine Aufmerksamkeit geht flöten, wendet sich den falschen Momenten zu und lüftet womöglich noch das Geheimnis.
    Als Stefan und ich wieder in der fahrbaren Sitzecke Platz genommen hatten, lenkte ich seinen Blick und den der Kamera nochmals auf das Foto, mit den Worten: »Wir müssen ein bisschen warten.« Denn das Bild entwickelte sich ja erst. Somit wusste ich, dass sich die Fernsehkamera von mir abwenden und das Foto zeigen würde. In diesem Moment nahm ich unbemerkt meinen linken Ohrring ab. Als ich kurz darauf ein Kartenspiel aus der Jackentasche herausholte, ließ ich den Ohrring in selbiger zurück.
    »Machen wir erst mal mit den Spielkarten weiter«, sagte ich. Ich bat Stefan, die Karten zu mischen, und lenkte die Kamera an dieser Stelle auf Stefan und seine ungeschickten Hände. Wenn man es weiß, sieht man in der Aufzeichnung an der Stelle, wie ich in Position gehe, um mir meinen Ring abzustreifen.
    »Ich werde mich umdrehen, und du merkst dir irgendeine Karte daraus«, wies ich Stefan an. Dabei wandte ich mich mit dem abgenommenen Fingerring in der rechten Hand so um, dass ich genau an meinen rechten Schuh kam, um den Ring einhändig in den Schnürsenkeln einzubinden. Die Blicke der Zuschauer und die Kamera waren auf Stefan gerichtet.
    Nun brauchte ich noch eine starke Ablenkung, um die beiden Ohrringe – in der Zwischenzeit hatte ich auch den linken unbemerkt abgenommen und den rechten aus der Jackentasche geholt – im Blumenkasten an Stefans Tisch verschwinden zu lassen. Hierzu musste ich die erwartete Auflösung des Kartentricks nur hinauszögern, um die Spannung zu steigern. Ich stellte das Publikum und Raab vor die Frage, wo genau sich Stefans ausgewählte Karte befand – links oder rechts? Und genau damit zog ich die Auflösung in die Länge. Ich wusste, dass die Regie nun ein Problem hatte, da sie nicht wissen konnten, ob die Karte links oder rechts aufgedeckt würde – und es gleichzeitig auch noch das Foto gab, das Stefan nicht aus den Augen lassen sollte. Also spekulierte ich darauf, dass Stefans Team den Kamerakran einsetzte – in genau diesem Moment stand ich auf – für den TV- Zuschauer nicht im Bild zu sehen –, scheinbar um selbst besser sehen zu können, und schnippte die Ohrringe in den Blumenkasten. Voilà.
    Weder Stefan noch die Zuschauer im Studio noch die Regie hatten diese getarnte Aktion wahrgenommen. Sie waren alle perfekt abgelenkt gewesen.
     
    Uns Magiern kommt es zugute, dass alle menschlichen Sinne für Täuschungen sehr empfänglich sind: Wenn du zum Beispiel in sehr helles Licht geschaut hast, siehst du danach noch eine ganze Weile das helle Licht, auch wenn es längst ausgeschaltet ist. Dieses biologische Phänomen können wir Magier nutzen, um in diesen Sekunden, die du noch wie geblendet bist, etwas zu tun, was du nicht sehen sollst, um geheime Manöver

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