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Du Durchschaust Mich Nicht

Du Durchschaust Mich Nicht

Titel: Du Durchschaust Mich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Farid
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mir keine Probleme, da halte ich eben mit, und meistens kommen dadurch sehr amüsante, spontane Situationen zustande.
    Früher bin ich auch immer mal wieder an eine Person geraten, die gegen mich gearbeitet hat. Das ist sehr schlecht! Magie braucht auch Menschen, die Magie zulassen, sonst leidet die Dynamik der Show. Wenn jemand bewusst an etwas anderes denkt als das, um das ich ihn bitte, kann er mir ernsthafte Schwierigkeiten bereiten und meine Illusion gefährden. Als Magier bin ich ihm jedoch einen Schritt voraus. Ich lasse es sofort wie einen Test aussehen, um unsere Chemie zu checken, und komme erst dann zum eigentlichen wichtigen Kunststück! Ich hole ein Kartenspiel aus der Tasche und lasse ihn eine Karte ziehen, während dessen überlege ich mir ganz schnell, was ich jetzt zeige.
    Aussehen, Körpersprache und Ausdrucksweise verraten viel über einen Menschen, und auch sein Charakter und sein Verhalten prägen unseren ersten Eindruck, den wir von einer Person haben. Diese Menschenkenntnis befähigt uns, Eigenschaften eines Menschen zu erkennen und sein Verhalten zu erklären bzw. vorauszusagen. Jeder von uns sammelt mehr oder weniger Menschenkenntnis im Verlauf seines Lebens, sie ist auch von der persönlichen Lebenserfahrung abhängig.
    Woher ich meine Menschenkenntnis habe, schließlich bin ich weder alt noch weise? Gute Frage! Vielleicht braucht man, wenn man in zwei Kulturen aufwächst, dieses feine Gespür für den anderen besonders. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, habe aber auch die persischen Wurzeln kennengelernt. Unterschiedlicher können Leben nicht sein. Wenn ich allein an meine deutschen und an meine persischen Großeltern denke, beide Großelternpaare haben uns Kinder geliebt, aber sie haben es auf völlig andere Weise gezeigt. Der Umgang miteinander innerhalb einer Familie war bei meiner Teheraner Familie sehr respektvoll, die Jüngeren hatten den Älteren Wertschätzung zu bezeugen. Meinem Großvater gab ich darum jeden Morgen die Hand zur Begrüßung.
    In Teheran wurden auch oft sehr schöne große und fröhliche Familienfeste ausgerichtet, bei denen ich gern dabeisaß und alles beobachtete, wenn ich nicht mal wieder mit den anderen Kindern in den Garten geschickt worden war. Das respektvolle Miteinander mag für Deutsche kühl wirken, aber so kühl war die Atmosphäre dort gar nicht, weil es zugleich ein lebhafter und weltoffener Haushalt war. Es waren immer irgendwelche Besucher da, Familie, Freunde, Bekannte – und auch das Personal trug zur Lebendigkeit in der großen Stadtvilla bei. Ich habe mich bei meinen Großeltern in Teheran wirklich sehr wohl gefühlt und spürte ihre Liebe trotz der scheinbaren Distanz.
    Auch meine deutschen Großeltern haben unsere Kindheit begleitet. Sie haben mit uns gespielt, uns vorgelesen, sind mit uns durch die Wälder gestreift, mein Opa hat mit mir Radfahren geübt. Durch die große Nähe zu ihnen und das liebevolle Miteinander haben wir immer auch viel miteinander geredet. Damals dachte ich, so wäre das in allen Familien in Deutschland. Heute weiß ich, dass es nicht selbstverständlich ist, in solch behüteten und zugleich anregenden Familienverhältnissen groß geworden zu sein. Wenn ich in einem Kinderheim zaubere und mir der ein oder andere Erzieher erzählt, was manche Jungs und Mädchen in ihrer kurzen Lebenszeit schon alles mitgemacht haben, Drogentod der Eltern, Missbrauch, Vernachlässigung, Hunger, eine regelrechte Heimkarriere – das ist nicht bloß krass, das macht einen fassungslos und traurig.
    Sich dem Empfinden für anderes, für Fremdes nicht zu verschließen, das macht Menschenkenntnis auch aus. Den anderen einzuschätzen bedeutet ja immer, sich in einen Fremden hineinzuversetzen. Und das musste ich auch erst lernen.
    Während meines Studiums im Jahr 2004 arbeitete ich für eine Restaurantkette, die mich als Magier für mehrere Filialen im Ruhrgebiet und im Rheinland engagiert hatte – Erlebnisgastronomie nennt man das. Nachdem die Gäste ihr Essen bestellt hatten und warteten, »zauberte« ich am Tisch für sie. Mit meinen Kleinillusionen überbrückte ich die Wartezeit unterhaltsam und verschaffte den Gästen Erinnerungswerte, von denen sie vielleicht auch anderen erzählen würden, so dass dadurch womöglich auch neue Gäste ins Restaurant kamen.
    Das Konzept kam gut an. Insgesamt hatte ich bald mehr als fünfzig Auftritte im Monat in den verschiedenen Filialen, zwei in Düsseldorf, eine in Oberhausen, zwei in

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