Du Durchschaust Mich Nicht
geworden war, dass es sich um einen Schwindel handelte.
Der Barnum-Effekt wird nun wiederum dadurch verstärkt, dass ich nicht eine allgemeine Aussage tätige, sondern gleich mehrere. Und wenn das Gegenüber dann auf einen der möglichen Hinweise positiv reagiert, nicht mal unbedingt mit Worten, vielleicht auch nur durch ein Lächeln, mache ich mit diesem ersten bestätigten Hinweis weiter. So nähere ich mich immer mehr einer Wahrheit an, die mir der Zuschauer selbst verrät.
Interessanterweise handelt es sich bei dieser Wahrheit mehr um die Wunschvorstellung der jeweiligen Person, also wie sie sich wünscht zu sein, und weniger darum, wie sie tatsächlich ist. Denn unser Selbstbild entspricht selten der Realität, sondern richtet sich danach, was wir gern wären.
Und jetzt das Ganze noch mal in der Praxis. In meiner Show mache ich oft solche Mentalkunststücke. Eben noch habe ich auf der Bühne einen Zuschauer von einem Stuhl zum anderen wandern lassen. Jetzt gehe ich am Bühnenrand entlang und schaue mir die Zuschauer in den ersten Reihen an. Manche sind nervös, sie wollen auf keinen Fall die Blicke auf sich ziehen. Wieder andere lächeln mich an, für sie wäre es das Größte, in einen meiner Tricks eingebunden zu werden. Dann aber spreche ich einen jungen Mann im Anzug an.
»Hallo! Mein Name ist Farid! Wer bist du?«
»Max.«
Jetzt habe ich schon mal den Namen. Ich sehe, wie Max an seiner Krawatte herumfingert, und sage: »Max, du bist ein Mensch, der Wert auf sein Äußeres legt, richtig?«
»Ja, das stimmt.«
Treffer! Kein Wunder, wer würde diese Frage in dieser Situation verneinen? Max strahlt und blickt zu der jungen Frau an seiner Seite herüber, die ebenfalls strahlt. »Max, du hast das Glück, dass du von einem bestimmten Menschen sehr viel Unterstützung bekommst. Diese Person schätzt dich sehr.«
Max’ Strahlen könnte jetzt gut die Saalbeleuchtung ersetzen. »Ja, das könnte sein«, sagt er und grinst die Frau an seiner Seite an.
»Bist du diese Person?«, frage ich die junge Frau neben Max.
»Ja«, sagt diese schüchtern. Sie traut sich kaum, mich anzuschauen, und klammert ihre Finger um die Sitzlehne. »Keine Angst, Mia«, sage ich. »Ich verrate eure anderen Geheimnisse nicht.«
Das Publikum lacht und applaudiert. Mia und Max gucken verdutzt. Den Namen habe ich vom Anhänger ihres Kettchens abgelesen, ein Schutzengelanhänger vermutlich, auf dem die Rückseite mit einer persönlichen Gravur versehen werden kann. Und dann beginne ich mit Max und Mia eine Kartenillusion.
Den Effekt des Cold Readings kann man durch das sogenannte Hot Reading noch intensivieren. Dazu besorgt man sich Informationen über einen Gesprächspartner, Zuschauer bereits vor dem Gespräch beziehungsweise dem mentalen Kunststück. Dadurch wird der Eindruck, dass man auf übernatürlichem Wege zu seinem Wissen gelangt ist, noch verstärkt.
Die Persönlichkeit des Magiers
Ein Magier muss sein Handwerk verstehen und die richtigen Techniken beherrschen, das ist klar, doch allein mit Handwerk und Technik kommt man sicher nicht bis auf die großen Bühnen. Fehlt es an Persönlichkeit und Standing, schafft man es vielleicht in regionalen Kreisen, aber nicht international. Ein Copperfield kann mit einer charmant-witzig gespielten beliebigen Close-up-Nummer einen Saal zum Lachen bringen; derselbe Trick von einem beliebigen Miraculix, der zwar einwandfrei »zaubert«, dem es aber an Charisma fehlt, wird bloß müdes Gähnen hervorrufen.
Als ich noch fürs Jurastudium eingeschrieben war, die meiste Zeit aber bereits der Illusionskunst widmete, war mein größter Wunsch, irgendwann die großen Bühnen zu bespielen – auch im Ausland. New York, London, Paris – und natürlich Las Vegas; dort aufzutreten ist für einen Magier wie ein Ritterschlag. Doch um diese Träume verwirklichen zu können, musste ich bekannter werden. Und das schafft man am besten, wenn man sich mit bekannten Leuten zeigt. Also überlegte ich mir immer mal wieder, für welche bekannten Persönlichkeiten ich zaubern und wie solch eine magische Verbindung zustande kommen könnte.
An Ideen und Selbstbewusstsein mangelte es mir schon damals nicht. Als Don King im Jahr 2005 mal wieder in Deutschland war, weil einer seiner Box-Schützlinge in Nordrhein-Westfalen in den Ring stieg, gab er eine Pressekonferenz in Düsseldorf. Davon hatte ich zufällig gehört. Don King, dieser exzentrische US -Amerikaner mit der berühmten Elektro-Frisur und den
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