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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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mußt zugeben, daß ich das tragen
kann.«
    Â»Das gebe ich gerne zu, aber nicht in meiner Galerie!« Ich versuchte
Autorität in meine Stimme zu legen. »Wenn du unsere Kunden verwirrst und sie
nicht wissen, ob sie dir zuerst in den Ausschnitt gucken sollen oder auf deinen
Slip, werden sie sich wohl kaum noch für die Bilder interessieren, die hier so
rumhängen.«
    Â»Du übertreibst, Jean-Luc! Erstens sieht man meine Unterwäsche
nicht, was schade ist, und zweitens waren gerade zwei sehr nette italienische
Herren hier, die mein Outfit überhaupt nicht gestört hat.« Sie zog sich ihr Röckchen
lässig ein wenig nach unten und lächelte triumphierend. »Im Gegenteil – ich
hatte ein sehr gutes Gespräch mit ihnen, und sie haben sogar das große Bild von
Julien gekauft und wollen es am Montag abholen – hier!« Sie überreichte mir
eine Visitenkarte. »Die italienischen Männer wissen es eben zu schätzen, wenn
eine Frau sich hübsch macht.«
    Â»Marion!« Ich nahm die Karte und drohte ihr mit dem Zeigefinger.
Dieses Mädchen hatte immer ein Gegenargument, und sie machte ihre Sache einfach
zu gut. »Ich erwarte, daß du in meiner Galerie in vertretbarer Kleidung
erscheinst. Und zwar in für spießige französische Männer vertretbarer Kleidung,
klar? Wenn du mir noch einmal in diesem Stripperröckchen unter die Augen
kommst, falle ich höchstpersönlich über dich her!«
    Sie grinste, und ihre grünen Augen funkelten. » Aaah, mon petit tigre , mein kleiner Tiger, da krieg ich ja
furchtbare Angst … obwohl …« Sie musterte mich von oben bis unten, als sähe sie
mich zum ersten Mal. »Eigentlich keine schlechte Idee.« Sie steckte kokett
einen Finger in den Mund, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, damit wird Rocky
nicht einverstanden sein, fürchte ich.«
    Â»Na, dann ist ja jetzt alles klar«, sagte ich.
    Â»Alles klar, Chef!« wiederholte Marion und zwinkerte mir zu. Und als
sie sich dann vorbeugte, um die Schnalle an ihrem rechten Schuh enger zu
stellen, und mir dabei ihren kleinen Hintern entgegenstreckte, zuckte es für
einen unkontrollierten Moment in meiner rechten Hand, und ich konnte mich
gerade noch beherrschen, dieser frechen Göre nicht den Klaps zu geben, den sie
eigentlich verdient hatte.
    Dann war der Moment vorbei.
Marion richtete sich wieder auf, nestelte umständlich an ihrer Bluse und
knöpfte immerhin einen Knopf für mich zu, und ich gab ihr Anweisung, die
liegengebliebene Post zu erledigen, die Galerie nicht vor zwei Uhr zu schließen
und wegen der anstehenden Ausstellung mit Soleil – der letzten Ausstellung,
bevor die Sommerferien begannen und ganz Paris leergefegt war – noch die
Druckerei anzurufen, die die Einladungskarten drucken sollte. Wenn es darum
ging, Preise auszuhandeln, war Marion nicht zu schlagen.
    Â»Ja, ja, ja.« Sie nickte geduldig und hielt mir anschließend den
Telefonhörer vor die Nase.
    Â»Vergiß Bittner nicht!«
    Â»Bittner? Ach so!«
    Ich erwischte Karl noch im Duc de
Saint-Simon (er ist jemand, für den der Tag erst ab elf Uhr beginnt), willigte
ein, ihn abzuholen, um anschließend in der Ferme zusammen eine Kleinigkeit
essen zu gehen, und als ich auflegte, fiel mir ein, daß ich vergessen hatte,
Luisa Conti zu fragen, wer die Dame war, die für mich angerufen hatte.
    Es konnte ja nur eine Kundin sein, die mich in der Galerie nicht
erreicht hatte. Oder steckte jemand anderes dahinter? Ein weiblicher Jemand,
der sich nicht zu erkennen geben wollte? Allmählich sah ich Gespenster!
    Marion winkte mir fröhlich durch die Scheibe zu, als ich wieder
draußen auf der Straße stand. Ich winkte zurück. Trotz unserer kleinen
Auseinandersetzungen hatte es etwas Beruhigendes, wie sie da so vertraut im
Laden stand und sich einen Kaugummi in den Mund schob.
    Denn wenn ich auch das Gefühl hatte, gerade ein wenig den Überblick
über mein Leben zu verlieren – von den Frauen ganz zu schweigen, die plötzlich,
so schien es, aus allen Winkeln auftauchten und ihr Unwesen mit mir trieben –,
war auf jeden Fall eines sicher:
    Marion war nicht die Principessa. Marion war einfach nur
Marion. Und dafür war ich ihr wirklich dankbar.
    Als ich das Duc de Saint-Simon betrat, war ich noch ganz in
Gedanken und alles andere als vorbereitet auf die kleine groteske Szene, die
sich meinen

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