Du findest mich am Ende der Welt
nein, Jean-Luc, so einfach kommst du mir nicht davon.
Jetzt will ich wissen, was los ist!« Aristide sah mich mit unnachgiebiger
Strenge an. » Alors? «
Ich wand mich wie ein Wurm auf dem kleinen unbequemen
Bistrostühlchen. »Ach ⦠Aristide ⦠glaub mir, das willst du gar nicht wissen â¦Â«
Aristide kniff die Augen zusammen. »Oh doch, das will ich.«
In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich griff danach wie nach
einem Rettungsanker. »Ja?« rief ich dankbar in den Hörer.
»Und?« Es war Bruno!
»Bruno, kann ich dich später zurückrufen?«
»Ist es Soleil?«
»Nein, es ist nicht Soleil. Jedenfalls war
sie nicht im Train Bleu.«
»Wer ist es dann?«
»Bruno â¦Â« Ich spürte Aristides dunkle Knopfaugen auf mir, die mich
wie zwei Laserstrahlen durchbohrten. »Bruno, ich sitze hier gerade mit Aristide â¦Â«
»Mit Aristide? Wieso mit Aristide? Und was ist mit der Principessa?«
Brunos Stimme wurde immer lauter, und ich war mir sicher, daà selbst Aristide
seine Worte hören konnte. »WeiÃt du denn jetzt, wer die Principessa ist?«
»Nein, Bruno, ich weià es nicht«, stieà ich ungehalten hervor. »Hör
zu, ich ruf dich später an, ja?«
Ich stellte den Ton aus und steckte das Handy in die Tasche.
»So, so«, sagte Aristide mit einem feinen Lächeln. »Unser guter Duc
ist also verliebt ⦠in eine Principessa ! Kompliment.«
Er zündete sich eine Zigarette an und hielt mir die Schachtel hin. »Na, dann
schieÃen Sie mal los, mein lieber Duc â¦Â«
Seufzend zog ich mir eine
Zigarette heraus, und Aristide lehnte sich erwartungsvoll in seinem Stuhl zurück.
»Erstens bin ich nicht verliebt«, erklärte ich. »Zweitens weià ich
nicht mal, wer die Dame überhaupt ist.«
Und drittens erzählte ich Aristide Mercier, was mir passiert
war.
»Was für eine wunderbare, auÃergewöhnliche, romaneske
Geschichte«, sagte Aristide, als ich geendet hatte. Dann winkte er dem Kellner
und bestellte eine Flasche Rotwein für uns. Er hatte mich nicht ein einziges
Mal unterbrochen, manchmal hatte er in sich hineingelacht, dann wieder
nachdenklich die Stirn gerunzelt.
Als
ich verlegen zu meinem letzten »Ãbergangsverdächtigen« gekommen war, hatten
seine Mundwinkel kurz gezuckt, aber freundlicherweise (und weil Aristide ein
wirklicher Herr ist) ersparte er mir einen süffisanten Kommentar.
Der Kellner kam und öffnete mit einer schwungvollen Geste eine
Flasche Merlot. Dann goà er den Wein in die bauchigen Gläser, und das leise
gluckernde Geräusch lieà diesen aufregenden Tag sanft ausklingen. Aristide
lehnte sich zurück und sah mich gedankenverloren an.
»WeiÃt du, Jean-Luc, du kannst dich glücklich schätzen. Wie selten
geschieht es in der Langeweile des Lebens, das sich etwas ereignet, was die
Begehrlichkeiten in uns weckt und wachsen läÃt, und zwar in einem solch hohen
MaÃe, daà wir alles andere zurückstellen?« Er nahm sein Glas und lieà den Rotwein
darin kreisen.
»Im Moment wünschte ich mir, mein Leben wäre etwas langweiliger«,
entgegnete ich in komischer Verzweiflung.
»Nein, mein Freund, das wünschst du dir nicht.« Aristide lächelte
wissend. »Dich hat es ganz schön erwischt. Was würde dich denn davon abhalten,
den Briefwechsel mit der geheimnisvollen Principessa auf der Stelle zu beenden?
Keiner zwingt dich dazu, dieses Spiel mitzumachen. Du kannst jederzeit
aufhören, aber du tust es nicht. Diese Principessa, wer immer sich dahinter
auch verbirgt, hat schon jetzt etwas in dir ausgelöst, was tiefer geht als das
Lächeln irgendeiner schönen Frau, die deinen Weg kreuzt. Sie besetzt deine
Gedanken, sie beflügelt deine Phantasie wie keine andere zuvor, alles ist mit
einem Mal möglich â¦Â« Er machte eine kleine Pause. »Nun ja ⦠nicht alles .« Aristide-der-Principe lieà ein paar Gedenksekunden
verstreichen, dann sah er mich an und zwinkerte mir zu.
»Ich schwöre dir, du wirst keine Ruhe geben, bis du nicht weiÃt, wer
die Principessa ist. Und weiÃt du was? Ich würde es auch nicht tun.«
Er hob sein Glas. »Auf die Principessa! Wer immer sie ist.«
»Wer immer sie ist«, wiederholte ich, und es klang wie die
Beschwörungsformel in einer Schwarzen Messe.
»Aber wer ist sie? Und was kann ich
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