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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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so sagen, und ich bin glücklich, denn
manchmal habe ich Angst, daß es Sie gar nicht wirklich gibt.
    Ich will Ihnen ja vertrauen, ich will auf Sie
warten, und gerne schreibe ich Ihnen noch weitere Briefe, die Ihr Herz und
Ihren Geist erfreuen mögen. Ich beantworte alle Ihre Fragen, ja, ich beuge mich
widerstrebend sogar Ihrem zeitlichen Diktat, auch wenn ich den Sinn nicht zu
erkennen vermag, doch – liebste Principessa – ich bin nur ein Mann.
    Und heute stiegen mit einem Mal Zweifel in mir
auf, nicht was Ihre schöne Seele angeht, Ihren inspirierten und inspirierenden
Geist, aber … wie soll ich Sie mir nur vorstellen?
    Sind Sie groß, klein, zierlich, rundlich, haben
Sie dunkle Haare, blonde Haare, rote Haare? Mit welchen Augen werden Sie mich
zärtlich ansehen, wenn ich Ihren Namen gesagt habe? Sind sie hell wie der
Himmel, grünlich wie das Wasser der venezianischen Lagune oder glänzen sie dunkel
wie polierte Kastanien?
    Bitte verzeihen Sie meine Zudringlichkeit – wenn
Sie mich kennen, und Sie kennen mich offenbar sehr gut, sollten Sie wissen, daß
ich die unterschiedlichsten Frauen liebe, aber nach einer ausführlichen
Unterhaltung mit einem mir befreundeten Literaturprofessor, den ich nicht ganz
freiwillig ins Vertrauen gezogen habe, kam heute die Frage auf, ob Sie sich –
einem Cyrano de Bergerac gleich – hinter schönen Worten verstecken, weil Sie
aus den gleichen Gründen wie dieser das Licht des Tages scheuen. Sehen Sie denn
so schrecklich aus?
    Ich kann Sie mir nicht anders als schön
vorstellen!
    Madame Bergerac, bitte bestätigen Sie mir
unverzüglich, daß sich die Größe Ihrer Nase in erträglichen Grenzen bewegt!
    Damit unseren leidenschaftlichen Küssen endgültig
nichts mehr im Wege steht.
    Darauf hofft und darum bangt,
    Ihr unverbesserlicher Duc
    Ich schickte den Brief ab, ehe ich es mir noch anders überlegen
konnte. Nun würde meine platonische Freundin sich irgendwie äußern müssen.
Keine Frau läßt den Verdacht auf sich sitzen, häßlich zu sein.
    Trotzdem war ich beunruhigt, als ich mich auf meinem Bett
ausstreckte und an die Zimmerdecke starrte, die etwas enger gesteckt war als
der nachtblaue Himmel der Möglichkeiten, unter dem sich so vortrefflich träumen
ließ.
    Was sollte ich machen, wenn die Principessa doch nicht die schöne
blonde Prinzessin war, sondern eine häßliche Froschkönigin?
    Sie trotzdem küssen?

11
    Es war kaum zu glauben, aber in dieser
Nacht schlief ich zum ersten Mal seit Tagen. Ich schlief traumlos und tief ohne
jedweden störenden Zwischenfall, und auch beängstigende Visionen von
irgendwelchen Frauen mit riesigen Nasen blieben aus.
    Als ich aufwachte, drangen von draußen leise die
Geräusche eines Pariser Morgens zu mir herauf, ein Sonnenstrahl fiel vorwitzig
durch die taubenblauen Seidenvorhänge, und ich räkelte mich einen Moment mit
der Zufriedenheit der Ausgeschlafenen in meinem Bett.
    Ich beschloß, die Croissants bei Odile ausfallen
zu lassen und mir mit einer Zeitung ein kleines Frühstück im Wintergarten des
Ladurée zu gönnen. So früh am Morgen war es da noch leer und friedlich, man
verweilte in einer kleinen Oase unter Palmen vor zartgrün und blaßtürkis
getönten Scheinmalereien, und die Heerscharen von Japanermädchen, die geduldig
in langen Schlangen anstanden, um sich die süßen bunten Macarons, die
vorne in der Glasvitrine auslagen, in blaßrosa oder lindgrüne Schachteln
verpacken zu lassen, fielen erst später ein.
    Ich
zog mich an, räumte ein bißchen in der Wohnung herum, machte für Cézanne eine
Dose auf und überlegte, daß ich heute dringend ein paar Lebensmittel einkaufen
mußte.
    Immer
wieder sah ich zu meinem Schreibtisch hinüber, auf dem der zugeklappte Laptop
lag. Ob die Principessa geantwortet hatte? Ich umkreiste die kleine weiße Maschine
wie eine Katze die Maus, ich wollte mir das Beste bis zum Schluß aufsparen.
    Dann
setzte ich mich vor das kleine weiße Ding und klappte es auf.
    Eine
Minute später starrte ich enttäuscht auf den Bildschirm.
    Die
Principessa hatte nicht geantwortet. Es war halb neun, und es gab keine Post
für den Duc.
    Ich
wollte es nicht glauben. Ob die Dame noch schlief? Vielleicht hatte sie meinen
Brief von gestern abend noch gar nicht gelesen. Ich konnte schließlich nicht
davon ausgehen, daß jemand Tag und Nacht

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