Du gehörst zu mir
Nachdenklich glitten Madelines Hände über ihren Körper. Wenn sie doch nur ein schönes, spitzenumsäumtes Seidenkleid, perlenbesetzte Schuhe und frische Blumen für ihr Haar besäße …
Nachdem sie ihr langes goldbraunes Haar gebürstet hatte, steckte sie es sorgfältig zu einem Nackenknoten zusammen. Sie wünschte, sie hätte eine Lockenschere, um ihre Schläfenpartie mit anmutigen Korkenzieherlöckchen zu umrahmen. »Nicht einmal ein Tropfen Parfüm.« Betrübt schüttelte sie den Kopf.
Wenige Augenblicke später gewann ihre gute Laune jedoch wieder überhand. Solche Probleme würde sie später klären. Heute abend war lediglich eine Sache von Wichtigkeit – ihre erste Londoner Theatervorstellung.
Die Herzogin von Leeds war so liebenswürdig, Madeline einen Platz in einem der Seitenflügel zuzuweisen, von wo aus sie die Aufführung mit verfolgen konnte. »Hier sind Sie gut aufgehoben«, sagte sie zu Madeline. »Sie müssen lediglich darauf achtgeben, dass Sie niemandem im Weg stehen. Während der Szenen- und Kostümwechsel herrscht rege Betriebsamkeit – und Sie wollen doch nicht umgerannt werden.«
Gehorsam kauerte sich Madeline an die Seite und stellte fest, dass sie bis auf einen toten Winkel die gesamte Bühne überblicken konnte. Dem Theaterstück mit dem Titel Der abgewiesene Geliebte gingen eine musikalische Darbietung und ein humorvoller Einakter voraus, der das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Als der Vorhang fiel, herrschte wegen der Kulissenschieber und der auf der Bühne umher eilenden Akteure augenblickliches Chaos. Doch innerhalb einer Minute befand sich alles wieder in bewundernswerter Ordnung. Zwei junge Männer in der Nähe von Madeline betätigten fachmännisch die Schnüre und Züge, bis sich der Vorhang erneut öffnete und die gediegene Einrichtung eines Londoner Herrenhauses enthüllte.
Beim Anblick dieser Kulisse drangen Beifall und begeisterte Zustimmung aus den Reihen der Zuschauer. Dann diskutierten zwei Darsteller, ein Ehemann mit seiner Frau, über die möglichen Ehekandidaten für ihre heiratsfähige Tochter. Fasziniert beobachtete Madeline den Handlungsverlauf. Sie empfand tiefe Zuneigung für die Heldin, eine naive junge Frau, die, statt ihre Jugendliebe heiraten zu dürfen, einem skrupellosen Mann versprochen wurde, der sie für ihren wahren Geliebten nicht freigeben wollte.
Zu Madelines Erstaunen spielte Logan Scott nicht die große Liebe des Mädchens, sondern den Schurken. Als er die Bühne betrat schien das Publikum wie elektrisiert. Genau wie alle anderen war auch Madeline von seiner Selbstsicherheit und seiner gefährlichen Anziehungskraft fasziniert. Er wollte das Mädchen für sich gewinnen, und nicht einmal ihre Liebe zu einem anderen Mann konnte ihn daran hindern.
Für Madeline war jede Minute wie eine Offenbarung. Schweigend stand sie in dem Seitenflügel und umklammerte den Samtvorhang mit ihrer Hand, während ihr Herz zum Zerbersten pochte. Jedes Mal, wenn Mr. Scott sprach, raubte es ihr den Atem. Mit Leichtigkeit verkörperte er den egoistisch fordernden Charakter, den seine Rolle vorgab. Schließlich hoffte Madeline genau wie das Publikum, dass er die Liebe des unschuldigen Mädchens eroberte.
Mr. Scott blieb fast während des gesamten ersten Akts auf der Bühne, er manipulierte und lamentierte, er trieb einen Keil zwischen die beiden Liebenden, bis es den Anschein erweckte, dass die wahre Liebe niemals Bestand haben würde. »Wie endet denn das Stück?« wollte Madeline von einem der Kulissenschieber wissen, der neben ihr stehengeblieben war. »Heiratet Mr. Scott sie oder überlässt er sie dem anderen?«
Grinsend bemerkte der Bühnenbildner, dass Madeline von der Aufführung in ihren Bann gezogen war. »Das verrate ich nicht«, flüsterte er. »Würde mir nicht im Traum einfallen, die Überraschung zu zerstören.«
Bevor sie erneut nachhaken konnte, endete der erste Akt, und die Pause begann. Als der Vorhang fiel, trat Madeline zurück. Eine Tanzgruppe betrat die Bühne unterhielt das Publikum bis zum Beginn des zweiten Aktes.
Nachdenklich kauerte Madeline in der Dunkelheit hinter dem Samtvorhang. Bis zur Fortsetzung der Aufführung schien eine Ewigkeit zu vergehen. Ein ungeahntes Glücksgefühl durchströmte sie. Sie hätte sich keinen anderen Ort vorstellen können, an dem sie lieber gewesen wäre als hier, wo sie den Geruch von Körperausdünstungen und Farbe und den beißenden Gestank der Karbidlampen einatmete.
Der hünenhafte
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