Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
einbrechende Kälte soll geholfen haben. Nun muss gegen die Kälte geheizt werden, der Torf ist schlecht und teuer. Die Storms heizen Constanzes Stube; nur dort ist es warm und behaglich .
Geldsorgen drücken; Storm muss noch immer ohne Gehalt auskommen, Preußen nimmt ihn unentgeltlich in die Richterausbildung und zahlt Diäten, also Tagegelder und Spesen. Darauf kann er sich aber nicht immer verlassen, sie werden nicht regelmäßig gezahlt und die ausgezahlten Beträge sind mal höher, mal niedriger. Wer steckt dahinter? Das System Preußen oder die Menschen im System? Eine von seinem Vorgesetzten vorgeschlagene Aufbesserung wird abgewiesen: Der Minister hat aber gemeint, wenn ich brauchbar sei, so sei ich ja schon eben da . Trotzdem verliert Storm nicht das Vertrauen. Es gibt einen »Fonds für schleswig-holsteinische Beamte«, auf den auch er zugreifen kann, aber diese Quelle sprudelt schwach und versiegt bald.
Wie reich bist du , schreibt er an Freund Brinkmann. Er selbst rechnet als angestellter Richter mit fünfhundert bis sechshundert preußischen Talern pro Jahr; Brinkmann verdient als Bürgermeister von Lütjenburg in Holstein achthundert Courant-Taler. Da der preußische Taler zum Taler Courant im Verhältnis von 1:1,2 steht, verfügt Brinkmann über eine Kaufkraft von 960 preußischen Talern. Damit gehörte Brinkmann in Preußen in die vergleichsweise bemerkenswert große Gruppe der knapp dreitausend Spitzenverdiener in der Beamtenschaft, die ab neunhundert Taler aufwärts verdienen. Beamter zu sein, ist hier das denkbar trostloseste. Denn Keiner kann hier sorglos von seiner Gage leben , teilt Storm dem Freund mit . Er veranschlagt für sich und seine Familie einen Jahresbedarf von mindestens tausend Talern.
Die Zeitschrift »Deutsches Museum« veröffentlichte 1857 einen Artikel über Verdienst und Anzahl der in Preußen tätigen Beamten. Wer hier als Beamter 500 Taler verdient, gehört schon zu den privilegierten Zweitausendfünfhundert, denn der größte Teil der Beamtenschaft, rund 36 000 von 47 000, verdient nicht mehr als vierhundert Taler.
Armut ist in Preußen verbreitet wie im übrigen Deutschland. Dazu schreibt Friedrich Saß in seinem Berlin-Buch: Es bedarf keiner künstlichen Theorie zur Erklärung jenes Übels der Verarmung der unteren Klassen. Die Tatsache, daß 700 Millionen Taler nur für Militärzwecke in dreißig Friedensjahren in Preußen verausgabt worden und daß diese Summe hauptsächlich durch die unteren Stände aufgebracht wurde, spricht ganze Bände . Friedrich List hat 1844 in der »Allgemeinen Zeitung« ein Bild gemalt von der Armut in Deutschland: Ich habe Reviere gesehen, wo ein Hering, an einem an der Zimmerdecke befestigten Faden mitten über dem Tisch hängend, unter den Kartoffelessern von Hand zu Hand herumging, um jeden zu befähigen, durch Reiben an dem gemeinsamen Tafelgut seiner Kartoffel Würze und Geschmack zu verleihen .
Dagegen haben die Storms es noch gut getroffen; sie leben das von Husum und Segeberg gewohnte Leben der gehobenen, wohlhabenden Bürgerschicht, und das muss bezahlt werden: Miete ist fällig, Köchin und Kindermädchen, Schneider und Schuster, Buchhändler und Lehrer, Arzt, Barbier und Apotheker wollen ihr Geld. Gäste sollen bewirtet werden. Weihnachtsgeschenke gehören auf den Gabentisch. Die Diäten sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. Nebeneinnahmen aus der künstlerischen Produktion erleichtern das Wirtschaften. Du siehst, lieber Vater, daß meine Poesie nicht ohne alles Geld ist , meldet der Sohn mit berechtigtem Stolz. Für »Drei Sommergeschichten«, worin die neue Novelle »Im Sonnenschein« neben »Im Saal« und »Marthe und ihre Uhr« abgedruckt ist und die bei Duncker in Berlin erscheinen, sowie für »Ein grünes Blatt« in Fontanes und Kuglers »Argo« erwartet Storm neunzig Taler. Das Märchen »Hinzelmeier«, 1850 während der dänischen Besatzungszeit geschrieben und einmal bereits erschienen in Biernatzkis »Volksbuch auf das Jahr 1851«, bringt bei der »Schlesischen Zeitung« sechzig Taler. Für die »Sommergeschichten« kündigt der Verlag eine zweite Auflage schon vier Monate nach der ersten an. »Immensee« erweist sich bereits jetzt als gute Investition für die Zukunft; 1857 erscheint die Novelle in fünfter Auflage mit Illustrationen von Ludwig Pietsch; 1887, zu Storms siebzigstem Geburtstag, kommt die »Illustrierte Prachtausgabe« heraus.
Trotz alledem reicht es bei den Storms hinten und vorne nicht. Leicht von
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