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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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Fobeslet/Nordschleswig verfasste, geschickt hat. Clara und Hartlaub lesen mit. Hartlaub schreibt an Clara, die den Text schon verrissen hat: Wir hatten ja dazumalen schon, als Storm bei uns war, Zerschiedentliches gegen diesen Mann und haben es heute noch . Was die Schwabenleute am Text stört, ist Storms Schreib- und Ausdrucksweise der wörtlichen Mörike-Rede, die der Norddeutsche nach eigenem Geschmack und Können gestaltet.
    Dass Margarethe Mörike verstört reagiert auf seine Schreibweise der schwäbischen Mundart, ist verständlich. Wisse Sie was? Ich möcht’s doch nit misse, so notiert Storm eine von Mörikes Bemerkungen. Weder ich noch Andere haben jemals ihn so schwäbisch reden hören; es ist uns Allen etwas so fremdes an ihm, daß selbst Eduard es uns nicht mehr ist, wie wir ihn in Ihrem Gedenkblatt finden, schreibt Margarethe Mörike an Storm.
    Der ist mit seinem unwissenden Selbstverständnis und in seiner selbstherrlichen Naivität zu weit gegangen. Menschen reagieren empfindlich, wenn man sie bei ihrer Sprache packt, und die um Mörike herum, die ihren Dichter wie einen Heiligen verehren, fühlen sich in seinem Namen verletzt. Storm begreift das offensichtlich nicht, wappnet sich aber wohl für die Zukunft. Schon einmal hat er mit einem ihm nicht geläufigen Dialekt einen unglücklichen Griff getan: In »Pole Poppenspäler« (1873) spricht das Novellenpersonal ein Bairisch, das nur bei Storm und sonst nirgendwo zu Hause ist. Für seine im Schwäbischen spielende Novelle »Es waren zwei Königskinder« (1884) erbittet er sich Hilfe von Margarethe Mörike; die kann zwar einen Fachmann vermitteln, aber auch der bringt das geschriebene Schwäbisch nicht in Ordnung. Erst mit Paul Heyses Hilfe wird das später gelingen.
    Storm kann sich mit einem anderen Dienst und bedeutenden Verdienst erkenntlich zeigen. Immer wieder verweist er in seinen Briefen an Margarethe Mörike auf die Bedeutung der Mörike-Briefe, die sie nicht zurückhalten, sondern für kommende Veröffentlichungen bereithalten möge. Die Frau steht noch unter dem Eindruck des Diebstahls, begangen von ihrer Schwägerin, sie sieht sich isoliert, sie hütet den ihr verbliebenen Schatz, schließlich bittet sie Storm um Rat, denn zu ihm hat sie Vertrauen gefasst. Es kommt zu einem Besuch Jakob Bächtolds, eines Literaturprofessors aus Zürich. Er wird der erste Herausgeber des Briefwechsels Storm/Mörike. Margarethe hütet auch noch die Mörike-Briefwechselschätze von Hermann Kurz, Moritz von Schwind und David Friedrich Strauß, den von Friedrich Theodor Vischer hat sie dem Eigentümer schon zurückgegeben. Dass diese Kostbarkeiten nicht verloren gehen, ist auch Storm zu verdanken. Schon schwer erkrankt richtet er im November 1886 an Margarethe Mörike einen eindringlichen Appell: Es handelt sich darum, daß Mörike sein Recht bekomme, die Sache des theueren Todten ist es, und wenn Sie wollen die Sache der deutschen Literatur.

Exil in Heiligenstadt
1856–1864

Richterjahre: Hilf Himmel, welch eine Stadt!
    »Heiligenstadt«, sagte der Kutscher. Mir schossen die Thränen etwas in die Augen. Das Pferdefuhrwerk, das Storm und sein Vater in Göttingen gemietet haben, steht auf einer Anhöhe. Eine landschaftlich reizvolle Dreistunden-Reise liegt hinter ihnen. Berg und Tal, Wald und Feld mit reifem Korn haben sie gesehen. Sommerduft und Pferdegeruch haben sie in der Nase gehabt. Nun blicken sie hinab in den von der Leine durchflossenen Talgrund, Kirchtürme ragen heraus, darunter der Doppelturm von St. Marien.
    Am 17. August ist Storm mit seinem Vater von Husum aufgebrochen. Johann Casimir will nicht nur Theodor beistehen, sondern auch nach einem Unterkommen für seinen Jüngsten, Otto, den Gärtner, in Heiligenstadt suchen. So hätten die Brüder jeder ein Stück Familie in der Fremde. Storm hat seine Reisetasche in Husum vergessen und bittet Constanze, sie sorgsam abzuschließen. In Hamburg übernachten Vater und Sohn im Hotel »Bellevue«. Am nächsten Morgen um sechs Uhr, gleich nach dem Aufstehen, nimmt Storm ein kaltes Bad, was man dort haben kann . Kaltwasser-Behandlung scheint Mode zu sein und ist auch eine Empfehlung des Husumer Hausarztes Dr. Wülfke.
    In Hannover essen sie im Hotel Royal ausgezeichnet an der table d’hôte [Mittagstisch], sie besichtigen die Stadt, die ihnen altertümlich und interessant erscheint. Storm leistet sich Luxus, er kauft ein grauseiden Tuch , dann steigt er mit seinem Vater in den Zug nach Göttingen. Abends um

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