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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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mit electrischem Draht abgebrannt . Das soll schmerzlos sein. Bruder Aemil nimmt den Eingriff vor in einer Haus-Op, assistiert von Dr. Wachs Junior, Sohn des Dr. med. Wachs, des Erbherrn von Hanerau , wie Storm ihn auch nennt.
    Nach 3 freundlichen Wochen in der Familie heißt es für Hans wieder »An Bord«. Neues Schiff, neues Unglück, denn das Hans abverlangte Führungszeugnis soll bescheinigen, dass er von gutem sittlichen Verhalten und nicht dem Trunk ergeben sei , zitiert Storm die Bestimmung in einem Brief an Ernst. Die furchtbare Foderung eines Sittenzeugnisses ist für Storm ein betäubender Donnerschlag. Schwiegersohn Haase, der wortgewandte Pastor, kann in Heiligenhafen einen günstigen Behörden-Bescheid erwirken.
    Storm gibt Hans ein Gedicht mit auf den Seeweg: Du bist friedlos, mein armer Sohn, / Und auch friedlos machst du mich; / Wären wir wo Deine Mutter ist, / Wir wären geborgen, Du und ich. / Sie legte wohl um ihr verirrtes Kind / – Wenn die Todten nicht Schatten bloß – / Schützend und sanft ihren Mutterarm / Und nähme Dein Haupt in ihren Schooß.
    So stehen die Verse im Brief an Wilhelm Petersen, den Storm ebenfalls über das Schicksal seines Sohnes auf dem Laufenden hält. Keine Ermunterung, sondern schwer wiegende Trauer-Poesie, die den begabten, kranken Sohn hart treffen und noch tiefer in Verzweiflung und Depression stürzen muss. Storm, dem wie allen Poeten das Dichten auch Entlastung und Gesundheit bringt, ist mit diesem Volltreffer fein heraus, kann die Verse seinem Vaterkonto gutschreiben.
    In Southampton, wo er mit dem holländischen Schiff »Stad Utrecht« eingelaufen ist, dem unmittelbaren Zugriff des Vaters entzogen, hält der Sohn dichtend dagegen: Tropisch Regen niedertroff, / Tropfbarer Verjüngungsstoff. / Tropisch tropft der Regen nieder / Und verjüngt die Erde wieder. / Also zeitigt mein Gemüthe / Vollen Lebens kräftge Blüthe, / Wenn die Hoffnung warm tropft nieder / Und verjüngt das Herz mir wieder. Will der gutmütige Hans damit den noch nicht verlorenen Sohn hervorkehren und seinem Vater eine Freude machen? Der ist tatsächlich hocherfreut, nachdem er die Verse gelesen hat: Das ist nicht nur ein gutes Gedicht, es ist auch eine warme Herzensoffenbarung, schreibt er an Karl im Oktober 1880. Ernst gegenüber betont er: Ich möchte auch jetzt zu hoffen beginnen .
    Der Schiffsarzt Storm betreut geworbene Soldaten, die im Namen des Königreiches Niederlande in der Anfang des 17. Jahrhunderts gegründeten Kolonie »Batavia« Ruhe und Ordnung schaffen sollen. Meist junge Deutsche, die kaum zu fühlen scheinen, daß sie sich verkauft haben, hat Hans dem Vater geschrieben, und Storm teilt das Wilhelm Petersen mit. Für jeden Soldaten, den er behandelt, gibt es noch Extralohn, und Storm hofft, dass Hans Geld zusammensparen kann, um sich eine Arztpraxis an Land aufbauen zu können. Von unterwegs aus Suez erreicht die Storms in Hademarschen ein vierundzwanzig Seiten langer Reisebericht. Im Februar des kommenden Jahres wird das Schiff in Rotterdam zurückerwartet, und Storm, mit dem Blick aus dem Fenster des eigenen Wolkenkuckucksheims, sieht schon die ersten Bausteine einer bessern Zukunft in blankem Silber für seinen Ältesten. Der schreibt aus Batavia nun einen sechsunddreißig Seiten langen Brief. Er hat offensichtlich ein großes Mitteilungsbedürfnis, und in dieser Situation kann ihm der Vater nicht dazwischenreden.
    Dazwischenreden und Besserwissen, Eigenlob und Vorhaltungen, Rippenstöße und Daumenschrauben scheint Hans zu befürchten, als er am 12. Februar 1881 mit der »Stad Utrecht« den Hafen von Rotterdam erreicht. Er ist wieder einmal entlassen worden. Was hat er in Batavia gesehen, und was hat er nach Hause geschrieben? Davon ist nichts überliefert.
    Seemann Hans Storm ist verschollen. Zwar hat er sich schon von Holland aus per Brief gesund und glücklich zurückgemeldet, aber von ihm selber keine Spur, kein Geld, keine Nachricht.
    Man habe Hans in Rotterdam gesehen, wird berichtet. Storm kann einen mehr als 30jährigen Mann nicht mehr am Gängelband führen . Der Vater erbricht den an seinen Ältesten gerichteten Brief eines alten Würzburger Studienfreundes – das nimmt er sich bei seinen Kindern manchmal heraus – und liest, daß Schiffsarzt doch für einen gebildeten Mann eigentlich nichts sei.
    Der Würzburger Freund Götte hilft bei der Suche nach einer Arztstelle, und so landet Hans in Frammersbach, nach Hademarschen wird er nie mehr reisen. Der

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