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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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grüßen, in dem ich Sie bitte mich unbekannter Weise Ihrer Familie zu empfehlen bin ich Ihre Sie verehrende Lucie Storm.
    Meine Adresse ist: Wörth a/Main Unterfranken
    Heyse hat, das ergibt eine Notiz in seinem Tagebuch, den Brief umgehend beantwortet; gefunden hat man sein Schreiben bisher nicht. Lucie geht nicht nach München als Gesellschafterin, sie kommt auch woanders nicht unter. Sie muss bei ihrem Bruder in Wörth aushalten. Elsabe darf auf Lucie’s inständige Bitte den Winter über in Wörth bleiben. Die Töchter verschweigen das Schlimme und beschönigen das eigene Leid, um dem Vater, Ernährer und Gewährsmann für die eigene Zukunft, nicht noch mehr Kummer zu bereiten. Der hält sich mit schöngefärbten Gedanken und mit Hilfe der schöngeschriebenen Lage in Wörth im Lebensgleichgewicht. Und nebenbei genießt er das Leben. Im August 1884 folgt er einer Einladung zum sechzigsten Geburtstag des Grafen Wilhelm von Qualen (1824–1887) auf seinem Edelsitz Gut Damp, schön gelegen an der Ostseeküste der Landschaft Schwansen. Zu verdanken hat er die Einladung seinem Freund Reventlow. Über dieses Fest schreibt Storm an seine Herzenslute nach Wörth zwei Tage vor ihrem vierundzwanzigsten Geburtstag:
    Nach Frühstück bei Petersen fuhren wir 3 Stunden p. Dampf nach Kappeln, wo ein Wagen von Qualen (Reventlow’s Schwager) auf Damp uns in 1 ½ Stunden dahin brachte. Hier waren wir 4 Nächte. Ein prächtiger Edelsitz! Jeden Tag Champagner, Chateau Yquem [sic] etc.; an seinem Geburtstag, wozu wir hingefahren waren, ein Diner mit 29 Gästen u. 11 Gängen; der Park bezaubernd; düstere Alleen mit Gewölben von 100 bis 120 Fußhöhe, prachtvolle Rasen mit Busch- und Blumenpartien zur Seite.
    Doch, mein Herzenskind, ich darf nicht mehr schreiben; 2 Tage Durchfall haben mich schändlich matt gemacht. Seid nun recht froh an Deinem Geburtstag; Du u. Elsabe zusammen versteht es ja wohl, und Hans hilft hoffentlich auch mit.
    Das Schicksal seiner Töchter als Novellenstoff? Das verwahrloste Leben seiner Söhne Hans und Karl hat er direkt an sich herangelassen und aufgegriffen, so konnte er es künstlerisch gestalten; sich selber hat er als »Etatsrat« mächtig am Zeug geflickt. Auch damit hat er seinen Ruf des poetischen Realisten gestützt. Bestürzende Frauenschicksale nimmt er nicht als Angelegenheit der Frau wahr.
    Seine Frauenfiguren gehen auf einem schmalen Grat, leben in einem engen Raum; sie sind insofern ein getreues Abbild seiner Sicht von der Wirklichkeit. Sie richten sich ein, mit Dichters Zauber gezielt bearbeitet und mit der Rückwirkung (Gegenverhalten) Fügsamkeit ausgebildet, als Anbeterin des Mannes. Sie kehren wieder als Stormsche Mythen, immergleiche Gestalten, wie die Kindfrau mit ihrer hingebenden Liebe, die außer Hingabe nichts zu bieten hat und noch weit entfernt ist von den Sorgen und Nöten eines Frauenalltags.
    Wilhelm Petersen wagt etwas später Kritik an der Novelle »Ein Fest auf Haderslevhuus«. Storm schreibt: Ihren scharf ins Geschirr gehenden Brief muß ich doch gleich beantworten. Sie wissen wohl, daß ich Kritik vertragen kann, wenn die Ihrige auch ein wenig zu schulmeisterlich auftritt. Er verträgt Kritik eben nicht; Petersens Kritik trifft und kränkt ihn: nur soll der Stoff selbst nicht auf vorübergehenden Zuständen beruhen; sondern auf rein menschlichen Conflicten, die wir ewig nennen. Das klingt so letztgültig wie vollmundig und ändert nichts an Storms fragwürdigem Bild vom vorherrschenden und ausschlaggebenden Mann und der ihm hörig-dienenden Frau. Mit verhangenem Blick kann ein Dichter auch in den vorübergehenden Zuständen, worin Wirklichkeit und Wahrheit eines Frauenleids hausen, kein Neuland entdecken . Der Ruf des poetischen Realisten Storm hat hier einen schlimmen Kratzer.

Der freche Jude Ebers?
    Storm geht in diesen Monaten des Jahres 1884 eine erfreuliche Lebensstrecke. Der Körper meldet Gesundheit, der Geldbeutel meldet tragbare Kassenlage. Storm kann sich endlich die geplante Reise nach Berlin leisten, die er immer wieder ins Auge fasste und immer wieder verschieben musste. Am 15. April bricht er auf, zunächst nach Hamburg; dort besucht er seinen Freund Heinrich Schleiden, dann reist er weiter nach Berlin. Doris folgt ihm vierzehn Tage später und trifft ihn in Berlin bei den Wussows, den alten Freunden aus Heiligenstadt-Zeiten, die sie nun kennen lernt.
    Im Rythli , den Storm mitbegründete, gibt es ein Wiedersehen mit »Rubens« Adolf von Menzel, »La

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