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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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»Heyne«, und in einem Brief ohne Datum aus dieser Zeit schreibt er, er habe Heines Liederbuch erst vor kurzem kennen gelernt und erinnere sich noch mit Vergnügen jenes Eindrucks . Da sind etwa zehn Jahre vergangen nach dem lebensbewegenden Abend mit Röse und Heine. Kann er sich nicht mehr daran erinnern oder ist die »Nacht der Lieder« eine von Storms Selbsttäuschungen?
    Röse verlässt Lübeck im Herbst 1836. Storm hat noch ein halbes Jahr Katharineum vor sich, bevor er zum Jurastudium nach Kiel wechseln wird. Abschiedsgeschenke werden ausgetauscht. Röse überreicht Storm einen Band Uhland-Gedichte und schreibt eine Widmung hinein: Meinem Confident, obgleich’s ein ––––– ist, zur freundlichen Erinnerung . Warum Röse nicht ausschreibt, was in seinen Gedankenstrichen steckte? Einen Jux will er sich machen mit dem Spottnamen »Schuckelmeyer«, den die Hamburger für ihre Altonaer und holsteinischen Nachbarn gebrauchten. Das waren in ihren Augen Dänen, die lebhaften Schmuggel trieben, als Hamburg zu Napoleons Zeiten eine französische Stadt war und der Kontinentalsperre unterlag.
    Storm revanchierte sich mit dem Gedicht »In Röses Stammbuch«. Dankbarkeit und freundlicher Ernst sprechen aus den Versen, Gelassenheit und Ruhe; kein Jux. Einen Traum will der junge Dichter Wirklichkeit werden lassen und in festen Armen halten: die süße Braut . Das ist das »Liebchen«, von dem Heine so oft in seinen Liedern singt, und dieser Gesang trifft Storm mitten ins Herz.
    Die Wege der beiden Freunde trennen sich, sie sagen einander auf Wiedersehen und sehen sich tatsächlich bald noch einmal wieder, in Berlin und in Kiel, wo Storm Jura studiert, dann aber nie mehr. Schon 1841, noch während Storms Studienzeit in Kiel, bricht der Kontakt ab, und erst nach zwölf Jahren treten beide in briefliche Verbindung.
    Nach dem Abschied schreibt Storm die Ballade »Der Bau der Marienkirche zu Lübeck«; sicher geschieht das auf Röses Anregung hin; der kannte sich in Lübecks Stadtgeschichte gut aus und veröffentlichte 1842 eine über vierhundert Seiten starke »Lübeckische Chronik«, anonym mit vorangestelltem Motto, das so stolz wie bescheiden Lübecks hanseatischen Stil verkündet: Was willtu begehren mehr / Als die alte, lübische Ehr’ .
    Während Röse sich in Berlin einrichtet, schreibt Storm im Januar 1837 an Adelbert von Chamisso, den Herausgeber des »Musenalmanachs«: wage ich es, Ew. Wohlgeboren einige meiner poetischen Arbeiten vorzulegen. Darunter liegen siebzehn Balladen-Strophen zu je vier Versen, die aus der Baugeschichte der Marienkirche plaudern: Es soll mit dem Teufel zugegangen sein. Storm schickte seine Arbeiten auf Empfehlung des Freundes Röse, der schon im »Musenalmanach« veröffentlicht hatte. Storm aber hatte kein Glück, der »Musenalmanach« druckte seine »poetischen Arbeiten« nicht.
    Sein Abgang vom Katharineum Ostern 1837 ist nicht so glänzend wie der von Röse; von siebenundzwanzig Schülern steht Storm auf Rang elf; immerhin ein Platz auf der Sonnenseite.
    Schriftliche Abschlussprüfungen finden nicht statt. Storm schreibt aber eine fünfzig Seiten lange, freiwillige Hausarbeit in lateinischer Sprache, das Thema darf er selber bestimmen, und er bestimmt so: »Quibus causis Philippo II. regnante dilapsae sint Hispaniae opes auctoritasque« (Weshalb sank unter der Regierung Philipp II. Spaniens Macht und Ansehen?).
    Storm hatte sich schon in der Husumer Gelehrtenschule mit diesem Thema beschäftigt. Seine Arbeit ist unter nicht geklärten Umständen aus dem Archiv des Katharineums verschwunden. Sie wurde aber noch im Jahre 1911 gelesen. Ein schriftlicher Kommentar beschreibt die Arbeit als die Abhandlung eines Schriftstellers. Storm schildere zunächst den positiven Charakter des Königs Philipp von Spanien (1556–1598), seine Standhaftigkeit im Unglück , dann behandele er auch dessen Grausamkeit und den religiösen Fanatismus […]. Dies zeigt er an dem niederländischen Aufstande; und wie er später für die Befreiung seines engeren Vaterlandes vom Dänenjoche eintrat, so verfolgt er hier eingehend mit innerer Wärme den Freiheitskampf der tapferen Niederländer.
    Von den Stätten, die Storm damals bewohnt und besucht, sind, bis auf das Katharineum, nur noch die Adressen geblieben: Das Hotel »Fünf Thürme« am »Klingberg«, wo Storm nach der langen, beschwerlichen Reise von Husum mit seinem Vater und seinem Schulfreund Ohlhues Unterkunft fand, steht längst nicht mehr. Der

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