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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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Brautnacht , schreibt er Constanze.
    Makellos wie gewünscht ist die ausgefertigte Urkunde, die sich noch heute im Segeberger Kirchenregister befindet. Diese Klippe ist also genommen. Auch den Impftermin und welcher Arzt geimpft hat, schreibt der Onkel, Pastor Fabricius, ins Protokoll. Nach einem gemeinsamen Mittagessen besteigen die Frischvermählten die Kutsche; es hätte eine stolz und fröhlich dahinfahrende Hochzeitskutsche sein können, wenn das Paar nicht mit eingezogenen Köpfen das Weite gesucht hätte. In knapp vier Stunden sind sie in Neumünster, dort geht die Eisenbahn um 17.45 Uhr ab und ist um 18.30 Uhr in Rendsburg. Postmeister Aschenfeld, Freund der Esmarchs, ist zur Begrüßung am Bahnhof, er sagt laute und nicht endende Glückwünsche . Das ist Storm peinlich, denn im Zug hat er der mitfahrenden Reisegesellschaft noch erzählt, daß wir seit einem Jahr verheirathet seien . Vom Bahnhof zum »Hotel Stadt Hamburg und Lübeck« verkehrt ein hauseigener »Omnibus«, eine Pferdedroschke. Dort, bei Gastwirt Rath, verbringen die beiden die Nacht. Die Zeitung meldet ihre Durchreise und das Quartier für den 15. September: Advocat Storm nebst Frau von Segeberg nach Husum.
    Am nächsten Morgen wird eine hart gefederte Extrapost gemietet; Rösser ziehen den Wagen die seit Kindertagen bekannte Strecke entlang. Hinter dem von Storm oft besuchten, idyllischen Schwabstedt an der Treene erreichen sie den Lagedeich; hier geht der Blick nach Süden weit in die Marsch und nach Norden folgt er der ansteigenden Geest. Ob die Frischvermählten von all dem etwas gesehen haben? Abends um neun Uhr sind sie in Husum, in ihrem neuen Heim in der Neustadt. »Tante Brick«, die Storm bisher den Haushalt führte, hat den Empfang bereitet. Ob der Angorakater, den Storm sich seit fast einem Jahr als Haustier hält, seine Herrschaften gebührend begrüßt? Im Garten sind die Fliederbeeren zum Pflücken reif. Schnell noch ein Kurzbesuch bei den Eltern in der Hohlen Gasse; sie sitzen mit Großmutter und Bruder Aemil ziemlich niedergeschlagen beisammen beim Abendbrot . Schwester Helene krankt noch immer an ihrer Unterleibsentzündung. Die Freude über das neue Heim ist trotzdem groß. Storms Mutter hat die Kaffee-, Tee- und Zuckerdosen füllen lassen. Ein Schinken hängt im Keller. Für die nächsten Tage kann Hausfrau Constanze aus dem Vollen schöpfen. Sie schreibt ihrer Mutter: Ich wurde ganz unendlich überrascht von unserer reizenden Wohnung, und Tante Brick hatte es uns so behaglich gemacht, daß ich mich gleich wie zu Hause fühlte .

Trümmerhaufen: Erste Ehejahre
    Das Haus Neustadt 56 liegt, wie das Schloss, nördlich des Zentrums »vor Husum«. Schloss und Schlossgarten in unmittelbarer östlicher Nähe, »Todtengang« und Westfriedhof gleich westlich nebenan. Als Vater Johann Casimir beschloss, seinem Ältesten Haus und Hof in der Neustadt schuldenfrei als Geschenk zu überlassen, zog der noch während der Verlobungszeit im November 1845 um und richtete dort seine Anwaltspraxis ein. Handwerker bauten um und machten Neu aus Alt. Hier wirtschaftete Tante Brick, hier regnete es im Januar 1846 durchs Dach, hier traf Storm sich mit Freunden und Kartenspielern, die ihm sein Geld abnahmen, hier briet er auf einem Spirituskocher Beefsteak und Spiegeleier. Nach und nach waren Teebrett, Brotkorb und anderer Hausrat beisammen, von Constanze würde kurz vor der Hochzeit noch eine Schiffsladung Möbel und Aussteuer dazukommen.
    Vater Johann Casimir finanzierte auch die Umbau- und Verbesserungsarbeiten, mit Theodor dachte er sich einen neuen Garten aus, er selber legte Hand an und sah nach, ob und wie alles wuchs und gedieh. Er sah auch, mit welcher Freude und Leidenschaft Theodor sich an der Gartengestaltung beteiligte. Der Garten war Storm lebenslang ein Ort heiliger Ordnung, heilig wie die Ordnung von Schreibtisch, Familie und Haus. Er pflanzte: Flieder, Jasmin und das unentbehrliche Geißblatt als betörende Duftspender; Rosen und Reseda für Constanze und für den Haushalt Gemüsebeete, in die er Kresse einsäte. Das Grün sollte herauswachsen aus zwei in die Erde eingeschriebenen Buchstaben: »C« für Constanze und »T« für Theodor.
    Einer, der beim Auspacken, Tragen und Möbelrücken half, war Hartmuth Brinkmann (1819–1910), mit dem Storm in diesen Jahren eine außerordentliche Freundschaft verband. Keine war für Storm so persönlich-menschlich, so von Vertrauen getragen wie diese. Brinkmann entstammte einer gebildeten

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