Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
nicht, was schön und gut, nein, der weiß auch nicht mehr, was keusch und rein ist.
Es ist ein trauriges Zeichen für das Christentum, wie Sie und Ihre Freunde es betreiben, daß es das treffliche Herz und den scharfen Verstand einer Frau, wie Sie, in solche Verwirrung bringen kann .
Storms starkes Stück: Die Hauscopulation
Dass Storms Vater Johann Casimir ihre Verbindung mit kritischen Augen betrachtete, wussten Theodor und Constanze von Anfang an. Er hatte sich seinem Freund und Schwippschwager Ernst Esmarch gegenüber aus guten Gründen dagegen ausgesprochen. Auch Esmarch muss dagegen gewesen sein; denn die den Verlobten auferlegten dreiunddreißig Monate Bewährungszeit hatten die Väter sich gemeinsam ausbedungen. Vielleicht haben sie noch insgeheim auf ein Scheitern gehofft. Dann aber, als sich die Signale, die von den Verlobten in Familie, Nachbarschaft, Freundes- und Bekanntenkreis ausgestrahlt wurden, eindeutig und unwiderruflich auf Trauung und Ehe standen, mögen die Familien sich damit abgefunden haben. Mehr noch: Man wird einverstanden gewesen sein. Die Schwachstelle »Verwandtschaft« zählte immer weniger, je mehr deutlich wurde, dass sonst alles stimmte: eine gute Partie für Theodor, eine noch bessere für Constanze. Das frischgebackene Ehepaar »Untergerichtsadvokat Hans Theodor Woldsen Storm« würde schon wegen des familiären Hintergrunds der besten Husumer Gesellschaft angehören; es war aber auch Storms eigenes Verdienst, der sich als Rechtsanwalt eingerichtet und bewährt und mit seinem Singverein eine feste Größe in der Stadt-Kultur geschaffen hatte.
Mag bei Johann Casimir auch ein Rest Vorbehalt gegen die Verbindung seines Sohnes mit Constanze geblieben sein, so stellt er sich nun praktisch-positiv, väterlich-großzügig und liebevoll-verantwortungsbewusst auf die Ehegeschichte seines Sohnes ein. Der Alte ist überhaupt wie verwandelt, galant und liebenswürdig , schreibt Storm an Constanze; rücksichtslos und lieblos hatte er seinen Vater vorher genannt. Nun aber, größtes Kompliment für den Sohn, bittet der Vater ihn, er möge ihm auf dem Klavier vorspielen. Johann Casimir interessiert sich auch für den Garten hinterm Haus in der Neustadt, wo Storm demnächst mit Constanze einziehen wird. Er gibt Ratschläge für die Gartenwirtschaft und legt selber mit Hand an. Wir können jetzt mit ihm machen, was wir wollen, schreibt Storm blauäugig und unbekümmert.
Himmelstürmend im Großen, übergenau im Kleinen, so ging Storm sein Eheprojekt an. Die Frage: Wie viel Geld haben wir zur Verfügung, wie viel Geld können wir ausgeben? war von Anbeginn wichtig. Storm schleppte immer noch die Spielschulden aus Studentenzeiten mit sich. Großmutter Magdalene Woldsen wollte dafür geradestehen und ihm das Geld als Hochzeitsgeschenk in die Hand drücken. Doch werden wohl noch 80 rtl Rest bleiben müssen, schreibt er an Constanze. Zwei Monate später, im April 1846, bezeichnet er den Rest mit 100 Reichstalern. Nach dem, was er Constanze im Juli mitteilt, hatte die Großmutter ihm 350 Taler versprochen. Dass darüber hinaus ein Rest blieb, und dann noch einer und noch einer, lag wahrscheinlich daran, dass in Storms Groß- und Kleinrechnungsführung stets eine Unsicherheit lauerte, die ihn aus dem Konzept brachte, in diesem Falle das Kartenspiel. Immer wieder setzte er sich wie in Studentenzeiten an den L’Hombre- oder Whist-Tisch, um, wie meistens, zu verlieren. An einem stürmischen Winterabend im Januar 1846 nahmen ihm zwei Mitspieler so viel Geld ab, wie ich im Ehestande nicht verlieren darf .
Für den neu zu gründenden Haushalt veranschlagte Storm jährlich 270 Kuranttaler, etwa 800 Mark (1 Reichstaler Kurant = 3 Mark). Mutter Lucie brauchte knappe 300 Reichstaler. In Storms eigener Rechnung entfielen von den 800 Mark auf das Haushaltsgeld insgesamt 468 Mark (9 Mark pro Woche), Abgaben an die Stadt Husum 40 Mark, Dienstmädchen 66 Mark, macht 574 Mark. Blieb ein Rest von 226 Mark, der gebraucht wurde für Kleidung, Feuerung, Dienstbotenlohn, Hausreparaturen. Constanze ist mit Theodors Rechnung einverstanden und glaubt, 9 Mark pro Woche, also 468 Mark für ein Jahr mit 52 Wochen, seien genug für sie und Theodor.
Der Jahresverdienst des Dienstmädchens betrug, in Kurant gerechnet, 22 Taler. Davon entfielen 16 Taler auf den Lohn, 4 auf Thee- und Zuckergeld, und je einen Taler gab es zu Neujahr und zum Jahrmarkt. Die Herrschaft fürchtete, das Dienstmädchen könnte sich, trotz der dafür
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