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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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hervor, sondern als Opfer ihrer Leiden und Leidenschaften in Gesellschaft und Natur. Das ist Storm näher, entspricht seiner Wesensart, hält ihn in Bann. Und den Leser fesselt er damit noch heute.
    Politik als die »Kunst des Möglichen« (Bismarck) ist ihm wesensfremd. Dass Storm später doch im politischen Hilfsdienst tätig wird, entspringt nicht der Entscheidung eines gesellschaftlich Erweckten, sondern der eines menschlich Erregten. Sein Sinn für Gerechtigkeit, Mut und Tapferkeit ist stark ausgebildet; er gerät schnell in Zorn, ist schnell beleidigt; bis zum Starrsinn steht er zur eigenen Meinung, zäh verfolgt er seine Ziele. Kompromisse sind nicht seine Sache. Keine guten Voraussetzungen für einen Politiker, schon gar nicht für einen Demokraten aus der Revolutionszeit von 1848.
    Nach der Krönung Frederiks VII. steuerte die politische Aufregung auf ihren ersten Höhepunkt zu, als die »Eiderdänen« am Kopenhagener Hof entscheidendes Gewicht in die Waagschale werfen konnten. Ihre Forderung »Danmark til Ejderen!« (Dänemark bis zur Eider – also nach einer Eingliederung des Herzogtums Schleswig ins Königreich Dänemark) bekam besondere Schärfe mit dem Anspruch, die Möglichkeit der weiblichen Thronfolge solle ebenfalls für das Herzogtum Schleswig gelten. Das dänische Königsgesetz »Lex Regia« von 1665, das für das Königreich Dänemark einschließlich Norwegen, Island und die Faröer galt, nicht aber für die Herzogtümer, schrieb diese für das Königreich fest und respektierte gleichzeitig das »Up ewig ungedeelt« von Ripen, das eine Trennung der Herzogtümer Schleswig und Holstein untersagte. Diese Sonderstellung der Herzogtümer beruhte auf der königlich-dänischen und herzoglich-gottorfischen Gewaltenteilung sowie der Zugehörigkeit Holsteins zum Deutschen Bund und war damit dem Königsgesetz nicht unterworfen. Eine weibliche Thronfolge wäre ein Übergriff gewesen und der Bruch mit einer jahrhundertelangen Tradition. Praktisch wäre damit die Einverleibung der Herzogtümer vollzogen worden.
    Noch am Tag der Verkündigung des eiderdänischen Programms, dem 21. März 1848, reist eine Delegation aus Schleswig-Holstein nach Kopenhagen, ohne Erfolg. Die Nachrichten darüber sind ein Schock. Wir werden es nicht dulden wollen, daß Deutsches Land dem Raube der Dänen Preis gegeben werde, heißt es in der Verkündigung, die schon am 24. März im »Correspondenzblatt« von Kiel abgedruckt wird. Noch am selben Tag nehmen Studenten und Turner im Handstreich die Festung Rendsburg ein. Sie fahren vom südlichen Bahnhof, vor den Toren der Stadt, ein in die Festung, versteckt in Güterwagen wie die griechischen Soldaten in ihrem Trojanischen Pferd.
Die Stadt an der Eider wird Sitz der »Provisorischen Regierung«. In Husum wehen sogleich die blauweißroten und die schwarzrotgoldenen Fahnen, eine nie gekannte Begeisterung, ein nie gehörter Jubel brechen hier los; Begeisterung überall in Deutschland. Freiwillige eilen zu den Waffen, die noch zu verteilen sind, und zu den Einheiten, die noch in Reih und Glied kommen müssen. Auch Fontane möchte dabei sein: Ich wollte nach Schleswig-Holstein und in irgendein Freikorps eintreten . Fontane, der Storm übrigens für ganz unpolitisch hält, kommt aber nicht gleich in den Norden, sondern erst 1864 als Kriegsberichterstatter und auch, um Storm in Husum zu besuchen.
    Storm stellt sich auf die Seite der Erhebung und gibt seine Zurückhaltung auf. Mit Dr. Wülfke, dem Hausarzt der Familie Storm, gründet er den »Patriotischen Hilfsverein« und wird dort Sekretär. Die Vereinszeitung »Husumer fliegende Blätter« erscheint am 4. April zum ersten Mal mit einer Ansprache an die Dänische Nation; sie ist nur mit einem Wort überschrieben: Dänen!, sehr freundlich klingt das nicht. Fünf Tage später sprechen schon die Waffen. Nördlich von Flensburg, in Bau, wird am 9. April eine aus Turnern und Studenten und anderen Freiwilligen bunt zusammengewürfelte schleswig-holsteinische Truppe von dänischen Einheiten vernichtend geschlagen. Das Herzogtum Schleswig scheint verloren. Doch am 12. April erkennt der Deutsche Bundestag die Provisorische Regierung an und entsendet ein Hilfskorps mit 9000 Mann. Preußens König Friedrich Wilhelm IV. will nicht beiseite stehen und beordert 12 000 Soldaten in den Norden.
    Das Blatt wendet sich: Am 23. und 24. April besiegt Preußengeneral von Wrangel zusammen mit den verbündeten Bundestruppen und der Schleswig-Holsteinischen Armee

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