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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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in der »Osterschlacht bei Schleswig« das dänische Heer, marschiert gleich weiter und besetzt im Norden Jütlands die Festung Fredericia. Schleswig-Holstein im Glück? Der Danebrog wird von der Husumer Kirche entfernt, die Fahnen mit den deutschen Farben wehen wieder in der Stadt.
    Der Krieg lässt nach drei Jahren Pause den Briefverkehr zwischen Theodor Mommsen und Storm wieder aufleben. Mommsen ist aus Italien zurückgekehrt, just Redakteur der »Schleswig-Holsteinischen Zeitung« und schreibt am 9. April, dem Unglückstag von Bau, an Storm; er lädt ihn zur Mitarbeit ein . Ich rechne auf Sie , liest Storm und folgt. Als Husumer Korrespondent, der Husum und seine Husumer genau kennt, verfasst er insgesamt dreizehn Beiträge. Storm lässt seine Artikel mit einem Stern zeichnen, nicht mit seinem Namen.
    Es sind noch immer lesenswerte, anschaulich-lebendige literarische Reportagen aus dem Leben der Stadt, sie handeln von Wahlen, Viehmarkt, Hafenarbeiten, Kirche, Schule und Soldaten. Die Husumer Frauen haben gestern eine bedeutende Sendung von getrocknetem Obst und verschiedenen Fruchtsäften zur Verpflegung der Verwundeten auf die Kommandantschaft nach Rendsburg abgehen lassen, berichtet er am 4. Mai. Storms Beiträge haben Witz und Biss, sogar Ironie, die sonst nicht seine Stärke ist. Man muss diese Texte zu seinen autobiographischen Schriften zählen, denn der Autor spart nicht mit persönlichen Kommentaren und verteilt Lob und Tadel; so erfährt der Leser eine Menge über Storm selber. Mommsen sieht das so: Ihre Korrespondenzen sind sehr gut, aber Ihnen darin ähnlich, daß zuweilen der Advokat schreibt und zuweilen der Mensch. Mommsen und Storm fassen gegenseitige Besuche ins Auge, aber daraus wird nichts. Dem Redakteur fehlt die Zeit, wohl auch die Lust. Der Korrespondent mag Rendsburg nicht: Kein Ort für meine Constitution, es ist zuviel Gerassel, man schläft dort nicht genug .
    Nicht allein das Rendsburger Gerassel hält Storm von einem Ausflug ab. Husum hält ihn fest, die Ereignisse der Erhebung, die jeden Tag neue Nachrichten und Gerüchte bringen, der Advokatenberuf, die Freunde und Kollegen, die Liedertafel, die Storm vorübergehend leitet, die Storms und Woldsens, Ehefrau Constanze und Doris Jensen, die Geliebte.
    Am 26. Mai 1848 schreibt Storm an seinen Schwiegervater Ernst Esmarch: Großmutter und Doris Jensen werden nun circa 14 Tage nach Segeberg abgehen. Der Satz ist missverständlich. Wahrscheinlich wird Doris mit dieser Fahrt abgeschoben, und Storms und Constanzes Großmutter Magdalene, geb. Feddersen (1766–1854), begleitet sie. Die unruhige Wanderzeit der Geliebten beginnt. Der Kontakt zwischen ihr und den Storms wird in der nächsten Zeit durch Briefe aufrechterhalten. Hat sie sich auch mit Theodor getroffen? Während seiner Jahre in Preußen ist sie immer wieder bei Vater, Mutter und Geschwistern in Husum gewesen. Wo das Schicksal sie genau hingeführt hat, liegt im Dunkeln. Sie war bei Freunden auf einem Gutshof in Fobeslet (Dänemark), hat dort in der Milchwirtschaft gearbeitet, sie war in Hademarschen bei Schwester Friederike und Schwager Johannes Storm. Hausdame, Gesellschafterin und Erzieherin war sie wohl auch, ein Schicksal, das sie mit vielen unverheirateten Frauen teilte. In ihren Briefen liegt ein liebevoller, kluger Ton, Heimweh und Trauer klingen unter Tapferkeit heraus: Ich bin sonst ganz wohl, will auch so viel als möglich heiter und vernünftig sein lieber Theodor und das Leben ertragen, wie es auch kommt; ist’s nun so recht, liebe Dange und Theodor, schreibt mir recht bald und recht oft, dann will ich auch ganz froh und heiter werden , schreibt sie aus Fobeslet.
    Warum muss Doris Jensen gehen? Sie sitzt am kürzeren Hebel; eine Machtfrage zwischen Mann und Frau, Gesellschaft und Einzelnem. Theodor Storm entscheidet sie zu seinen Gunsten. Was er beiden Frauen zumutet, ist maßlos, geht weit hinaus über die von ihm beschworene »goldene Rücksichtslosigkeit«.
    Ob Doris Jensen die Entscheidung am Ende selber getroffen hat? Man wird nachgeholfen haben. Doris ist neunzehn Jahre alt, noch unmündig, und Vater Jensen könnte sie zwingen, das Feld zu räumen. Jensen und Storm, die sich nicht nur vom Kartenspiel gut kennen, haben gemeinsam beraten und entschieden, und Doris ist das Liebesopfer? Theodor hat das schlagkräftigste Argument auf seiner Seite: Constanze ist im Mai 1848 seit zwei Monaten schwanger. Ihr erstes Kind soll im Dezember geboren werden. Was denken die

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