Du hast meine Sinne entflammt
verstanden, dass sie ihm möglichst nicht begegnete. Man soll das Schicksal nicht herausfordern, sagte sie sich.
In Gedanken versunken betrat Diana die Hotelhalle und stand plötzlich vor ihrem Bruder.
„Diana.“ Justin griff nach ihrem Arm und hielt sie fest.
Wie hübsch sie ist, dachte er wieder einmal. Das Herz tat ihm weh, als er ihr freundlich distanziertes Lächeln sah. Er konnte nicht an sie herankommen, das hatte er schon bemerkt, als er ihr zum ersten Mal oben im Penthouse wieder begegnet war.
„Guten Morgen, Justin. Ich wollte gerade bei Serena hineinschauen, falls sie nicht zu beschäftigt ist.“
Wie kühl er mich ansieht, dachte sie, und wie wenig er den indianischen Einschlag verleugnen konnte.
„Sag Serena, dass ich noch eine Verabredung habe. In einige Stunden bin ich wieder zurück.“
Plötzlich fühlte Diana sich schuldig. Sie musste ihn zurückhalten, ihm etwas Nettes sagen. „Justin.“ Er drehte sich wieder zu ihr um. „Ich – ich habe das nicht gewus st, die Geschichte mit deinem Prozess. Es tut mir Leid.“
„Das ist lange her“, antwortete er ruhig. „Du warst damals noch ein Kind.“
„Diana.“ Lächelnd sah Serena ihrer Schwägerin entgegen. „Ich hoffe, du brauchst jemanden, der dich unterhält. Das würde mich von diesem Papierwust befreien.“
„Und ich hatte schon Angst, ich würde dich stören.“
„Es gibt Tage, an denen lass ich mich nur zu gerne stören.“ Sie blickte in Dianas Gesicht und wusste sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. „Diana, was hast du?“
„Nichts.“ Sie drehte sich um und sah durch die große Glaswand, die von der Casinoseite her verspiegelt war. „Ich könnte hier nie arbeiten, weil ich ständig das Gefühl hätte, mitten in einer großen Party am Schreibtisch zu sitzen.“
„Daran gewöhnt man sich. Das ist nur eine Sache der Konzentration.“
„Justin lässt dir ausrichten, dass er in einigen Stunden zurück sein wird.“
Das ist es also, dachte Serena und stand auf. Sie ging zu Diana und legte ihr beide Hände auf die Schultern. „Diana, bitte sprich dich aus. Ich liebe Justin, aber das heißt absolut nicht, dass ich nicht verstehen könnte, wie du dich fühlst.“
„Ich hätte nicht kommen sollen.“ Diana schüttelte den Kopf und sah ihre Schwägerin traurig an. „jetzt, wo ich so nah bei ihm bin, fallen mir Dinge ein, die ich längst vergessen glaubte. Serena, ich wusste nicht, dass ich meinen Bruder immer noch liebe. Und das tut weh.“
„Liebe tut manchmal weh“, antwortete Serena leise und legte einen Arm um Dianas Schultern. „Du musst nur etwas Geduld haben. Lass dir selbst und auch Justin Zeit.“
„Aber ich kann ihm nicht verzeihen, dass er mich im Stich gelassen hat, Serena. Ich kann nicht vergessen, dass ich all die Jahre ohne ihn auskommen musste.“
„Diana, kannst du dir denn nicht vorstellen, dass es für ihn genauso schlimm war?“
Dieser Aspekt schien ebenso neu wie überflüssig zu sein. „Aber im Gegensatz zu mir hatte er damals die Wahl, er hätte mich nicht allein lassen müssen“, sagte sie traurig.
„Du warst sechs, er sechzehn Jahre alt, das darfst du nicht vergessen“, antwortete Serena, hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihrem Mann und dem Verständnis für Diana. „Was hätte er anderes tun sollen?“
„Er hat mir nicht einmal geschrieben, mich angerufen oder gar besucht. Nicht ein einziges Mal in zwanzig Jahren.“ Als Diana das zum ersten Mal aussprach, was sie bisher nur immer wieder gedacht hatte, stieg die ganze Verzweiflung wieder in ihr hoch. „Ich habe gehofft, dass er zurückkommen würde, wenn ich nur all das tat, was man von mir verlangte. Ich wurde zu einem Musterkind, lernte mich zu benehmen und zu beherrschen, war gut in der Schule … Und die ganze Zeit über habe ich nur darauf gewartet, dass Justin endlich zurückkäme. Aber nichts passierte. Er hat bestimmt noch nicht einmal an mich gedacht.“
„Das ist nicht wahr.“ Serena griff nach Dianas Armen und hielt sie fest. „Diana, du verstehst das völlig falsch.“
„Du bist es, die das völlig falsch versteht“, wiederholte Diana ironisch. „Nein, ich verstehe gar nichts falsch. Du kannst dir ja nicht vorstellen, wie es ist, wenn einem alles genommen wird, man nirgendwo mehr hingehört. Wenn man weiß, dass man nur auf die Gnade anderer angewiesen ist, wenn jeder Bissen, den man isst, jedes Kleid, das man trägt, seinen Preis hat.“
„Was meinst du denn, wem du das Essen und die
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