Du hast meine Sinne entflammt
Chad Rutledge war freigesprochen worden. Beth Howards Vater musste sich auf eine Anklage wegen falscher Zeugenaussage gefasst machen – und Beth ebenso, fügte Diana in Gedanken hinzu und sah hinüber zum Zeugenstand. Es war nicht damit zu rechnen, dass Beth wirklich verurteilt werden würde. Die Geschworenen wussten, dass das Mädchen nur aus Angst gelogen hatte, und wer heute miterlebt hatte, wie Beth im Zeugenstand zusammengebrochen war, konnte nur noch Mitlied empfinden.
Diana vergrub ihr Gesicht in den Händen, als sie daran dachte, wie sie das Mädchen auseinander genommen hatte. Sie glaubte, ihre eigene Stimme noch einmal zu hören. War das wirklich sie, die da so eiskalt und überlegt das ganze Lügengebilde zerpflückt hatte? Hinter sich hatte sie immer wieder Chads Zwischenrufe gehört, sie solle Beth in Ruhe lassen. Dann hatte der Richter Chad von der weiteren Verhandlung ausgeschlossen, und dann endlich hatte Beth unter Tränen, manchmal kaum verständlich, die Wahrheit erzählt.
Noch nie hatte Diana sich so einsam gefühlt. Wenn doch jetzt Caine bei ihr wäre! Nein, sie hatte kein Recht, nach ihm zu verlangen. Zwei Wochen waren vergangen, und doch hatte sie immer noch den Ausdruck in seinen Augen vor sich, damals, im Wohnzimmer seiner Eltern. Sie hatte ihm wehgetan, und jetzt behandelten sie sich wie Fremde.
Am besten wäre es wohl, sie suchte sich ein anderes Büro, in einer anderen Stadt. Willst du wieder weglaufen? fragte plötzlich eine kleine Stimme in ihr. Ja, sie wollte weglaufen so schnell und so weit wie möglich. Nur ob es Zweck hatte, das wusste Diana nicht, denn eigentlich lief sie vor sich selbst davon.
Es dauerte noch eine Weile, bis Diana sich endlich dazu zwang, aufzustehen und den Gerichtssaal zu verlassen. Draußen war es schon leicht dämmrig, der Himmel hing voller Wolken.
Während Diana den Motor startete und sich in den Verkehr einreihte, gingen ihr immer wieder Wortfetzen durch den Kopf. Wie hatte Justin gesagt? Sie beide gehörten leider nicht zu den Menschen, denen es leicht fiel, ihre Gefühle zu zeigen. Und dann Caine. Sie hörte wieder seine Stimme, seine Worte, dass er sie liebe und dass sie ihm vertrauen solle. Diana hörte sich selbst erwidern, dass sie es nicht ertragen würde, wieder allein gelassen zu werden. Aber was war sie jetzt? Noch einsamer konnte man kaum sein. Dabei sehnte sie sich nach Liebe – nach Caines Liebe. Statt seine Liebe zu genießen, ließ sie sich von Zweifeln leiten, die sie von ihm fern hielten. Brach sie damit nicht das wichtigste Versprechen, das sie sich je gegeben hatte: Immer sie selbst zu sein?
Eigentlich hatte sie sofort nach Hause fahren wollen, aber ganz instinktiv musste sie dann wohl doch den Weg zur Kanzlei eingeschlagen haben. Als Diana neben dem Haus hielt, sah sie Caines Auto dort stehen.
Was sollte sie ihm sagen? War es nicht doch besser, erst einmal nach Hause zu fahren und sich alles in Ruhe zu überlegen? Noch während sie darüber nachdachte, stieg Diana aus und ging zum Haus.
In seinem Büro war Licht. Der Fall Day war jetzt beinahe abgeschlossen. Sie hatte mehr über den Prozess aus der Zeitung erfahren als von Caine selbst.
Die Empfangshalle war dunkel, als Diana eintrat. Wieder zögerte sie, aber dann zog sie doch den Mantel aus und stieg die Treppe hinauf. Caines Bürotür stand offen. Sie hörte das Knistern des Feuers in seinem Kamin, als sie langsam darauf zuging. Vor der offenen Tür angekommen, blieb Diana stehen und sah hinein. Caine saß am Schreibtisch, den Kopf über die Akten gebeugt. Er hatte sie nicht gehört.
Sein Jackett und die Krawatte hatte er achtlos über seine Sessellehne geworfen. Neben ihm im Aschenbecher lag eine brennende Zigarette. Während Diana so dastand und ihn beobachtete, fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar und griff dann ohne aufzusehen nach der Kaffeetasse.
Er sieht abgespannt aus, dachte Diana. Als hätte er in den letzten Nächten nicht gut geschlafen. Er stellte die Tasse wieder weg, seufzte und verbarg sein Gesicht in beiden Händen.
Diana hielt es nicht mehr in der Tür. Sie trat einige Schritte ins Zimmer. „Caine.“
Er blickte überrascht hoch. „Diana“, sagt er kühl. „Ich habe dich heute gar nicht zurück erwartet.“
Sie verschränkte nervös ihre Hände ineinander und suchte nach den richtigen Worten. Seine Augen blickten sie so kalt an, dass sie sich am liebsten umgedreht hätte und geflohen wäre. „Chad Rutledge ist freigesprochen worden“,
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