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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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Kompromiss zu schließen, und auch die Mädchen versuchten es mit körperlicher Gewalt. Sowohl die Mädchen als auch die Jungen kämpften um die Kontrolle in ihrem Spiel. Als Sue versehentlich sagt: »Ich geb ihr eine ganze Hälfte« und sich dann schnell korrigiert: »Ich geb ihr eine ganz ganze Gurke«, zeigt sie, dass es ihr nicht eigentlich um die Größe geht, sondern darum, wer die Gurke weitergeben darf.
    Beim Lesen von Sheldons Untersuchung fiel mir auf, dass, obwohl Nick und Sue beide versuchten, ihren Wunsch durchzusetzen, indem sie ein drittes Kind mit einbezogen, die eingenommenen Positionen und die Dynamik, die sie in Gang setzten, völlig unterschiedlich waren. Sue bat Mary darum, dem Wunsch einer anderen Person nachzukommen: Statt zu sagen, dass sie die Gurke wollte, behauptete sie, dass Lisa sie möchte. Nick ließ keinen Zweifel daran, dass er selbst an der Gurke interessiert war, und als er es allein nicht schaffte, in ihren Besitz zu kommen, bat er Joe um Hilfe. Joe versuchte dann, die Gurke mit Gewalt an sich zu bringen. In beiden Situationen kam es zu einem komplexen Rollenspiel, bei dem die Kinder wechselnde Bündnispositionen einnahmen.
    Joe setzte nicht zu seinem eigenen Vorteil auf das Faustrecht, sondern – ritterlich – für Nick. Als Nick mit weinerlicher Stimme an Joe appellierte, bezog er die Position des Unterlegenen in einer hierarchischen Ordnung und stellte sich in den Rahmen eines Schutzbedürftigen. Als Sue Mary bat, ihr die Gurke zu überlassen, wollte sie die überlegene Position der Nahrungsausteilerin übernehmen. Sie kämpfte nicht um den Besitz der Gurke, sondern um das Recht, sie weitergeben zu dürfen. (Das erinnerte mich an die Frauen, die Professorinnen werden wollten, um lehren zu können.) Doch um dieses Ziel zu erreichen, baute Sue auf Marys Bedürfnis, sich anderen gegenüber gefällig zu zeigen. Ref 13
    Diese Untersuchung legt nahe, dass Mädchen und Jungen beide ihren Willen durchsetzen möchten, dass sie aber unterschiedliche Methoden anwenden, um ihr Ziel zu erreichen. Obwohl die herrschenden sozialen Normen Jungen dazu ermutigen, offen zu konkurrieren, und Mädchen dazu, sich offen kooperativ zu zeigen, können unterschiedliche Situationen und Aktivitäten die unterschiedlichsten Verhaltensformen auslösen. Marjorie Harness Goodwin verglich Mädchen und Jungen, die mit zwei zielgerichteten Aktivitäten beschäftigt waren: Die Jungen fertigten Schleudern für eine anstehende Keilerei, die Mädchen bastelten Fingerringe. Sie fand heraus, dass die Gruppe der Jungen hierarchisch strukturiert war: Der Anführer sagte den anderen, was sie zu tun hätten und wie sie es tun sollten. Bei der Gruppe der Mädchen herrschte Gleichheit: Jede machte Vorschläge und war bereit, Vorschläge der anderen aufzugreifen. Aber als Goodwin die Mädchen bei einer anderen Beschäftigung beobachtete – sie spielten »Mutter und Kind« –, entdeckte sie, dass auch die Mädchen hierarchische Strukturen übernahmen: Die Mädchen, die die Mutter spielten, gaben Anweisungen an die Mädchen, die die Kinder spielten, die wiederum ihre Spiel-Mütter um Erlaubnis fragten. Außerdem war das Mädchen, das die Mutter spielte, auch eine Art Spielleiterin. Diese Untersuchung zeigt, dass Mädchen wissen, wie man Befehle erteilt und wie man sich in einer hierarchischen Ordnung verhält, aber sie finden dieses Verhalten unpassend, wenn sie gemeinsam mit ihren Spielgefährtinnen einer zielgerichteten Aktivität nachgehen. Bei Mutter-Kind-Beziehungen, die sie im Spiel gern nachahmen, finden sie dieses Verhalten dagegen durchaus passend.
    Diese Spielwelten werfen etwas Licht auf die Weltbilder, die Männer und Frauen in ihre Beziehungen einbringen. Das Spiel der Jungen erklärt, warum Männer auf alles, was darauf hindeuten könnte, dass sie herumkommandiert oder herabgesetzt werden, so empfindlich reagieren. Das wichtigste Gut, um das in der hierarchischen Welt der Jungen gefeilscht wird, ist Status, und Status wird gewonnen und aufrechterhalten, indem man Befehle erteilt und die anderen dazu bringt, sie zu befolgen. Ein Junge in einer niedrigen Statusposition wird herumgestoßen. Deshalb überprüfen Jungen ihre Beziehungen auf subtilste Statusschwankungen und registrieren genau, wer Anweisungen gibt und wer sie entgegennimmt.
    Mädchenspiele werden von ganz anderen Motiven bestimmt. Das wichtigste Gut, um das in einer Mädchengemeinschaft gefeilscht wird, ist Intimität. Mädchen untersuchen ihre

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