Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
plaudern. Während wir so dastanden, bemerkte ich, dass die vor uns liegende, ausgedehnte Hoffläche vom glitzernden Licht auf- und abflackernder Leuchtkäfer erfüllt war. Ich machte den Nachbarn auf den Anblick aufmerksam und meinte, dass es wie verzaubert aussehe. »Es ist wie am 4. Juli«, sagte ich. Er stimmte mir zu und erzählte mir dann, dass die Glühwürmchen leuchteten, um ihre Paarungsbereitschaft zu signalisieren. Er erklärte mir im Detail, wie diese Signale funktionierten – dass zum Beispiel immer mehrere Leuchtkäfer zusammen auf einer Höhe flögen und, wie man gerade sehen könnte, sie sich an bestimmten Stellen des Hofes ballten.
Bei all diesen Beispielen verfügten die Männer über faktische Kenntnisse, die sie beisteuern konnten, was sie auch taten. Oberflächlich betrachtet, ist daran nichts Überraschendes oder Merkwürdiges. Merkwürdig ist nur, dass es so oft zu Situationen kommt, in denen Männer irgendwelche Fakten kennen, die lange Erklärungen erfordern, um sie den Frauen verständlich zu machen, während die umgekehrte Situation sehr selten auftritt,
Die Zeiten haben sich gewandelt, und die Beziehungen zwischen Männern und Frauen haben sich in vielerlei Hinsicht geändert. Heute ist es unwahrscheinlich, zumindest in weiten Kreisen, dass ein Mann sagt: »Ich bin besser als du, denn ich bin ein Mann und du eine Frau.« Aber auch wenn Frauen nicht auf Männer treffen, die solche Behauptungen aufstellen, ist es häufig frustrierend für sie, sich mit Männern auseinanderzusetzen. Eine Situation, die viele Frauen unerfreulich finden, ist ein Gespräch, das sich auf rätselhafte Weise in eine Vorlesung verwandelt, bei der sie selbst die Rolle des dankbaren Publikums und der Mann die des Dozenten übernimmt.
Und auch in diesem Fall ist die »Aufstellung« (alignment) , in der Mann und Frau sich wiederfinden, asymmetrisch. Der Vortragende wird als überlegen in Status und Sachverstand aufgefasst und übernimmt die Rolle des Lehrers, während der Zuhörer in die Rolle des Schülers gedrängt wird. Wenn Frauen und Männer abwechselnd Vorträge halten und entgegennehmen würden, wäre daran nichts auszusetzen. Was stört, ist das Ungleichgewicht. Frauen und Männer verfallen so oft in diese unausgewogenen Verhaltensmuster, weil sie unterschiedliche Interaktionsgewohnheiten haben. Weil Frauen Gemeinsamkeit schaffen wollen, neigen sie dazu, ihren Sachverstand herunterzuspielen, statt ihn offen zu zeigen. Weil Männer sich gern im Rampenlicht und in dem Gefühl überlegenen Wissens sonnen, suchen sie Gelegenheiten, Fakten zu sammeln und zu verteilen.
Weil es oft so aussieht, als würden Männer aufgrund ihres größeren Sachverstands das Wort führen, sind Frauen nicht selten überrascht und frustriert, wenn sie feststellen müssen, dass sie im umgekehrten Fall noch lange nicht zu Wort kommen.
Erst ich, dann ich
Es geschah bei einem gemeinsamen Essen mit Lehrkräften aus anderen Fachbereichen meiner Universität. Rechts neben mir saß eine Frau. Als das Essen begann, stellten wir uns vor. Nachdem wir uns erzählt hatten, welchem Fachbereich wir angehörten und welche Fächer wir unterrichteten, fragte sie mich nach meinem Forschungsgebiet. Wir redeten eine Weile über meine Arbeit. Dann fragte ich sie nach ihrem Forschungsgebiet, und sie erzählte davon. Schließlich diskutierten wir, inwiefern sich unsere Themenbereiche überschnitten. Später – wie es bei solchen Essen nun mal üblich ist – wandten wir uns auch anderen Teilnehmern zu. Ich fragte einen Mann, der mir gegenübersaß, welchem Fachbereich er angehöre und womit er sich beschäftige. Während der nächsten halben Stunde lernte ich eine Menge über seine Arbeit, sein Forschungsgebiet und seine Herkunft. Als das Essen sich dem Ende zuneigte, entstand eine Pause, und er fragte, womit ich mich beschäftigte. Als ich antwortete, ich sei Linguistin, berichtete er ganz begeistert von einem Forschungsprojekt, das er durchgeführt hatte und das mit Neurolinguistik zusammenhing. Als wir alle vom Essen aufstanden, erzählte er noch immer von seinem Forschungsprojekt.
Dieser Mann und diese Frau waren Akademikerkollegen von mir. Wie ist es, wenn ich mich statt mit Wissenschaftlern mit Leuten auf Partys oder bei gesellschaftlichen Anlässen unterhalte? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen, denen ich von meiner Arbeit berichte, mir im Allgemeinen Fragen dazu stellen. Wenn ich ihnen etwas über Gesprächsstil oder über
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