Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Studie, die zu dem Schluss kam, dass weibliche Therapeuten, die noch keine Berufserfahrung haben, sich leichter tun als ihre männlichen Kollegen. Mit zunehmender Praxis und Erfahrung verschwindet dieser geschlechtsspezifische Unterschied. Vielleicht lernen männliche Therapeuten – und Männer in Therapien – mit der Zeit, so zu reden wie Frauen. Was ein Vorteil ist. Andererseits lernen Frauen, die ihr Selbstbewusstsein trainieren, so zu reden wie die Männer, und auch das ist ein Vorteil. Frauen und Männer täten beide gut daran, Strategien zu benutzen, die im Allgemeinen eher von der anderen Gruppe angewandt werden – nicht, um das eine für das andere auszutauschen, sondern um mehr Strategien zur Verfügung zu haben.
Redegewohnheiten sind schwer zu ändern. Respekt für den Gesprächsstil anderer zu entwickeln ist vielleicht ein bisschen leichter. Männer sollten akzeptieren, dass viele Frauen in dem Austausch privater Details ein wichtiges Stück Intimität sehen, und Frauen sollten akzeptieren, dass viele Männer diese Ansicht nicht teilen. Gegenseitige Toleranz wird uns zumindest vor dem schmerzlichen Vorwurf bewahren, dass wir etwas falsch machen, nur, weil wir es auf die uns eigene Weise tun. Ref 52
V »Ich werd’s dir erklären« – Dozieren und zuhören
Auf einem Empfang anlässlich der Veröffentlichung eines meiner Bücher bemerkte ich eine Verlegerin, die dem Produzenten einer beliebten Radiosendung aufmerksam zuhörte. Er erklärte ihr, aus welchen Gründen das Studio dort gebaut worden war, wo es sich jetzt befand, und warum er selbst einen anderen Standort vorgezogen hätte. Was mich darauf aufmerksam machte, war die Länge der Zeit, die er redete, während sie zuhörte. Er hielt einen Monolog, den man nur noch als Vortrag bezeichnen konnte, und informierte sie in allen Einzelheiten über die Empfangsweite der beiden Standorte, die Architektur der Radiostation etc. Später fragte ich die Verlegerin, ob sie die Ausführungen des Produzenten interessant gefunden habe. »O ja«, antwortete sie. Aber dann dachte sie einen Moment nach und meinte: »Na ja, vielleicht hätte er sich ein bisschen kürzer fassen können.« Am nächsten Tag erzählte sie mir: »Ich habe noch mal über Ihre Frage nachgedacht. Nichts hätte mir gleichgültiger sein können als das, was er erzählt hat. Es ist nur so, dass ich mich schon so daran gewöhnt habe zuzuhören, wenn Männer endlos reden, dass es mich gar nicht mehr stört. Ich habe nicht mal mehr gemerkt, wie sehr ich mich gelangweilt habe, bis Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben.«
Einmal plauderte ich mit einem Mann, den ich gerade auf einer Party kennengelernt hatte. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass er als Mitglied der Royal Air Force von 1944 bis 1945 in Griechenland stationiert gewesen war. Da ich mehrere Jahre in Griechenland gelebt hatte, fragte ich ihn nach seinen Erfahrungen: Wie hatte es damals in Griechenland ausgesehen? Wie waren die britischen Soldaten von der griechischen Bevölkerung behandelt worden? Wie hatte man sich als englischer Soldat im Griechenland der Kriegstage gefühlt? Außerdem erzählte ich, wie Griechenland sich gewandelt hatte und wie es heute dort aussieht. Er ging nicht auf meine Bemerkungen über das heutige Griechenland ein, und seine Antworten auf meine Fragen wandelten sich schnell von eigenen Erfahrungsberichten – was mich sehr interessierte – zu Aufzählungen von Fakten über die griechische Geschichte – was mich im Prinzip interessierte, mich in diesem speziellen Fall aber zu Tode langweilte. Je unpersönlicher seine Ausführungen wurden, desto mehr fühlte ich mich davon unterdrückt und unfreiwillig auf die Rolle der Zuhörerin festgenagelt.
Auf einer Ausstellung von Judy Chicagos The Dinner Party , einem in Gemeinschaftsarbeit mit anderen Frauen entstandenen Kunstwerk, wurde ich auf ein Pärchen aufmerksam, das vor einem der Ausstellungsstücke stand: Der Mann deutete auf die Leinwand vor sich und erklärte seiner Begleiterin in gewichtigem Ton die Bedeutung einzelner Symbole. Ich hätte dieser alltäglichen Szene vielleicht weiter keine Beachtung geschenkt, wenn The Dinner Party nicht eine ausgesprochen feministisch konzipierte Arbeit gewesen wäre, mit der die Erfahrungen und Gefühle von Frauen ausgedrückt werden sollten.
Als ich an einem Sommerabend einen Spaziergang machte, traf ich einen Nachbarn, der seine Hunde ausführte, und wir blieben eine Weile stehen, um zu
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