Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
klar, dass sie Vorschläge macht und keine Forderungen stellt. Wenn ihr Vorschlag ihm nicht gefällt, muss er das nur sagen. Sie würde nicht auf einem Wunsch bestehen, wenn sie wüsste, dass er keine Lust hat.
Loraine äußert sich oft anerkennend und dankbar, wenn Sidney die Küche saubermacht oder die Wäsche erledigt. Statt sich über das Lob zu freuen, nimmt Sidney es übel. »Es gibt mir das Gefühl, als ob du verlangen würdest, dass ich es immer tue«, erklärt er. Ein anderer Mann äußerte sich ähnlich über seine Mutter. Sie lobte ihn, weil er sie anrief: »Du bist wirklich ein guter Mensch.« Er hatte den Eindruck, sie wolle ihn zwingen, regelmäßig anzurufen, denn für ihn implizierte ihr Lob, dass er ein schlechter Mensch wäre, wenn er es nicht täte.
In ihrer Studie über das Intimleben amerikanischer Paare zitieren Philip Blumstein und Pepper Schwartz einen jungen Mann, der sich über die sexuelle Beziehung zu seiner Freundin folgendermaßen äußerte: »Wir waren im Bett, und sie sagte dauernd: ›Streichel mich‹ oder ›Sei zärtlicher‹, bis ich ihr erklärt hab, dass sie es schon mir überlassen muss, wie ich es mache, wenn ich mit ihr schlafe … Ich will mich schließlich nicht herumkommandieren lassen …« Ref 66
Bei all diesen Beispielen beklagten Männer sich darüber, dass sie in ihrer Unabhängigkeit und Freiheit eingeschränkt würden. Ihr Frühwarnsystem ist darauf eingestellt, bei jedem Anzeichen von Bevormundung sofort Alarm zu schlagen – selbst bei einer so scheinbar verbindenden Aktivität wie dem Liebesakt. Solche Vorwürfe überraschen und verwirren Frauen, deren Frühwarnsysteme auf eine ganz andere Gefahr eingestellt sind. Wenn die Welt ein kämpferischer Ort ist, wo Männer ihre Fähigkeiten beweisen und sich gegen andere behaupten müssen, macht es Sinn, vor Bedrohungen der Unabhängigkeit auf der Hut zu sein. Wenn ein Mann das Leben als Freiheitskampf versteht, ist es nur natürlich, dass er sich dagegen wehrt, kontrolliert und bevormundet zu werden.
Das Klischee vom Pantoffelhelden ist ein Produkt dieser Weltsicht: Viele Männer lehnen alles ab, was auch nur im entferntesten den Eindruck erwecken könnte, dass sie tun, was ihre Frauen wollen. Das Leben von Frauen ist, historisch gesehen, immer von den Forderungen anderer eingeschränkt worden – von den Forderungen ihrer Familien und Ehemänner, und doch gibt es kein entsprechendes Bild von der »Frau unterm Pantoffel«, auch wenn einzelne Frauen vielleicht über tyrannische Ehemänner klagen. Warum nicht? Frauen gehen von einem Zustand gegenseitiger Abhängigkeit aus und erwarten daher, dass ihre Handlungen von anderen beeinflusst werden und dass in Übereinstimmung gehandelt wird. Frauen kämpfen darum, Bindungen zu festigen, die Gemeinschaft aufrechtzuerhalten und sich anderen anzupassen, und sie tun ihr Möglichstes, um eigene Bedürfnisse und Wünsche zu unterdrücken. Kämpft ein Mann darum, stark zu sein, so kämpft eine Frau um eine starke Gemeinschaft.
Lasst uns nochmals von den Kindern sprechen
Die Missverständnisse zwischen Diana und Nathan lassen sich auf den gewohnheitsmäßigen Gesprächsstil von Männern und Frauen zurückführen – auf Sprechweisen, die sich bei den ersten Gesprächen spielender Kinder herausbilden. Dianas Tendenz, Vorschläge zu machen, die mit »Lass uns« beginnen, ist nicht einfach eine persönliche Marotte. Wissenschaftler, die das Spiel von Kindern untersuchen, haben festgestellt, dass Mädchen aller Altersstufen zu dieser Sprechweise neigen.
Die Psychologin Jacqueline Sachs und ihre Mitarbeiter, die Vorschulkinder im Alter zwischen zwei und fünf Jahren beobachteten, haben herausgefunden, dass Mädchen die Tendenz zeigten, Vorschläge mit Formulierungen wie »Lass uns« einzuleiten, während Jungen sich häufig gegenseitig Befehle erteilten. Beim Doktorspielen sagten die kleinen Jungen zum Beispiel:
»Leg dich hin.«
»Du hast jetzt was mit dem Herzen.«
»Gib deinen Arm her.«
»Versuch mal, mir Medizin zu geben.«
Wenn die Mädchen Doktor spielten, sagen sie: »Lasst uns das spielen. Wir wollen uns alle hinsetzen.«
Marjorie Harness Goodwin entdeckte genau dasselbe Verhaltensmuster bei einer ganz anderen Gruppe – bei den Straßenspielen von sechs- bis vierzehnjährigen Schwarzen in Philadelphia. Die Jungen, die (wettkampfmäßig) Schleudern für eine anstehende Bandenfehde bastelten, gaben sich gegenseitig Befehle:
»Gib mir die Zange!«
»Die brauch
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