Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
den Fall aus ihren Augen schilderten, stritten sie erbittert miteinander – und zwar, indem sie sich gegenseitig in ironischem und sarkastischem Ton zustimmten. Als zum Beispiel die Mutter des Bräutigams behauptete, sie habe der Braut einen Gürtel geschenkt, der zweihundert Pesos wert sei, entgegnete die Brautmutter. »Er hat wohl mehr als hundert Pesos gekostet, was?« Damit implizierte sie ironisch: »Er war nur hundert Pesos wert.« Einen Rock, den ihre Tochter bekommen hatte, verunglimpfte sie ebenfalls, indem sie sagte: »Vielleicht ist es ja tatsächlich reine Wolle, wer weiß!«, und behauptete damit indirekt, dass das nicht der Fall sei. Die Mutter des Bräutigams konterte: »Vielleicht war er ja auch gar nicht teuer«, und unterstellte damit: »Er war teuer!« Die andere entgegnete: »Normalerweise ist so was ja sehr teuer, was?« – und meinte damit: »Es war spottbillig.«
Weil diese Frauen ihren Ärger und ihre Missbilligung nicht offen zeigen durften, drückten sie sich auf die Weise aus, die ihnen zur Verfügung stand – mit freundlichen, zustimmenden Worten. Dieses Beispiel aus einer exotischen Kultur mag extrem scheinen, aber das Muster unterscheidet sich nicht sehr von den Wegen, die moderne Frauen manchmal beschreiten, um mit scheinbar positiven Mitteln negative Ziele zu erreichen. All die sprachlichen Formen des »Nettseins«, die von Frauen erwartet werden, können sowohl zu verletzenden als auch zu heilenden Zwecken genutzt werden.
Eine verbreitete Methode, jemanden scheinbar unbeabsichtigt zu verletzen, besteht darin, eine kritische Bemerkung zu wiederholen, die eine dritte Person geäußert hat, und zwar unter Verwendung der Zu-deinem-eigenen-Besten-Einleitung: »Ich dachte, du solltest das wissen.« Hilda erzählte Annemarie zum Beispiel, dass Annemaries Schwägerin ein ganzes Zimmer voller Frauen gut unterhalten habe, indem sie Geschichten über Annemaries Probleme mit ihrem pubertären Sohn zum Besten gab. Annemarie war gekränkt, als sie erfahren musste, dass ihre Familienprobleme öffentlich diskutiert worden waren. Weil sie ihrem Mann nicht sagen wollte, dass er sich seiner Schwester nicht mehr anvertrauen sollte, und sie auch keinen Streit mit ihrer Schwägerin anzetteln wollte, hatte sie das Gefühl, dass ihr nichts anderes übrigbliebe, als still vor sich hin zu schmoren. Wenn man ihr nichts gesagt hätte, wäre sie nicht gekränkt gewesen. Es war also ihre »Freundin« Hilda, die sie verletzt hatte, nicht ihre Schwägerin.
Was die Sache noch schlimmer machte, war, dass Hilda von nun an bei jedem Treffen vor Mitleid überströmte, Annemarie mit teilnahmsvollen Blicken bedachte und fragte: »Wie geht es dir? Wie läuft’s denn so?« Das gab Annemarie das Gefühl, ein hysterisches Nervenbündel zu sein und nicht eine ganz normale Mutter, deren Kinder ganz normale Probleme hatten. Jede Form von Unterstützung lässt sich dazu benutzen, anderen eins auszuwischen. Mit offen demonstrierter Anteilnahme kann man sich selbst als Psychologen, der sie alle beisammen hat, und den anderen als Patienten einrahmen.
Auch hilfreiche Ratschläge können indirekte Kritik enthalten. Eine Frau namens Sarah zum Beispiel schlug ihrer Freundin Phyllis vor, dass es doch praktischer wäre, wenn sie ihre Eltern beim nächsten Besuch in einem Hotel statt in ihrer Einzimmerwohnung einquartieren würde. Statt dankbar für den Rat zu sein, verstand Phyllis ganz richtig, dass Sarah ihre Elternbindung für zu stark hielt. Auch mit Lob lässt sich ordentlich was austeilen, wenn man die Kritik löffelweise daruntermischt. Wenn jemand zu dir sagt: »Dein Neuer ist fabelhaft – nicht so langweilig wie der Letzte«, hört sich das im ersten Moment wie ein Lob für den neuen Freund an, und doch löst der Seitenhieb auf den alten ein nagendes Gefühl in dir aus. Ähnlich verhält es sich mit dem Kompliment: »Dein Vortrag war phantastisch. Er war auch viel verständlicher als der letzte« – was dich mit der Vision eines sich ratlos am Kopf kratzenden Publikums bei deinem letzten Vortrag zurücklässt.
Eine andere Form, Kritik einfließen zu lassen, ohne dass der Urheber die Verantwortung dafür übernehmen müsste, ist Spekulation über die Beweggründe anderer. Patricia zum Beispiel dachte laut darüber nach, warum ein Mann, den sie kennengelernt hatte, sie nicht anrief. Nadine hatte eine Idee: »Vielleicht hält er dich für eingebildet, weil er dich Patricia und nicht Patty nennen sollte.« Patricia
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