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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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männlichen Studenten waren herausfordernd. Eine lautete sinngemäß etwa: »In Ihrem Buch ist viel von Psychologie die Rede; warum missfiel Ihnen die Art, wie ein Psychologe Sie in Ihrem Seminar befragte?« Der andere schrieb: »Gehört nicht viel von dem Material Ihres Buches eigentlich in den Bereich Rhetorik und Kommunikation und nicht in den Bereich Linguistik?«
    Die Fragen der Frauen fand ich charmant, die der Männer unverschämt. Ich erzählte meinem Mann von dem Verhaltensmuster. »Das war doch klar«, lautete sein Kommentar. »Wieso?«, fragte ich. »Also«, sagte er, »der Professor hat praktisch zu ihnen gesagt: ›Hier ist eure Chance – hier ist eine Expertin.‹ Es war eine Gelegenheit, dich herauszufordern.« Da war es schon wieder: Mein Mann hielt es für normal, dass man einen Experten herausfordert. Ich dagegen denke – wie die Studentinnen –, dass die Bekanntschaft mit einem Experten die Chance eröffnet, Insider-Informationen zu bekommen und persönliche Kontakte zu knüpfen.
    Was also ist die »Bedeutung« einer Herausforderung? Ich habe die Fragen der Männer als Versuch verstanden, meine Autorität zu untergraben. Beide schienen auszudrücken: »Du bist keine wirkliche Linguistin«, und der eine bezweifelte außerdem meine Interpretation meines eigenen Beispiels. Ich mochte das nicht. Ich mochte die Fragen der Frauen lieber: Sie gaben mir das Gefühl, dass meine Autorität anerkannt wurde. Ich hatte nicht mal was gegen die aufdringliche Frage nach meiner Ehe, weil sie mir Gelegenheit gab, eine amüsante und ironische Antwort zu verfassen. Aber jemanden herauszufordern kann auch eine Form von Respekt sein. Ein männlicher Kollege meinte, dass »Softball«-Fragen sinnlos seien, wenn es um etwas wirklich Ernsthaftes gehe. Ein anderer männlicher Kollege argumentierte ähnlich und meinte in Anbetracht einer recht kritischen Buchbesprechung, die er verfasst hatte. »In gewisser Weise ehrst du jemanden, wenn du dich auf einen Ringkampf mit ihm (ja, oder mit ihr) einlässt.« Ich war erstaunt, dass beide Männer eine gegnerschaftliche Metapher wählten – aus sportlichen Wettkämpfen –, um zu erklären, warum eine Herausforderung (für sie) unzweifelhaft konstruktiv für eine wissenschaftliche Diskussion ist. Ich schätze, ich unterscheide mich nicht sehr von anderen Frauen, wenn ich Herausforderungen irgendwie für mehr als reines Ritual halte und mich nicht geschmeichelt, sondern eher persönlich angegriffen fühle, wenn man mit mir »ringen« will.
    Inzwischen erscheint es mir wahrscheinlich, dass die jungen Männer, die mir herausfordernde Fragen stellten, mich in ein wissenschaftliches Streitgespräch verwickeln wollten. Aber sie gingen in die »interkulturelle« Falle: Ich genieße »Ringkämpfe« nicht, wenn ich mich persönlich angegriffen fühle, obwohl intellektuelle Auseinandersetzungen mir durchaus Spaß machen, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Autorität anerkannt wird. Ich hätte ihre Fragen zu schätzen gewusst, wenn sie sie anders formuliert hätten: »Könnten Sie näher erläutern, warum Sie das Verhalten des Psychologen in dem von Ihnen angeführten Beispiel missbilligten?«, und: »Könnten Sie die Beziehung zwischen Ihrer Arbeit und den Bereichen Kommunikation und Rhetorik weiter ausführen?« Man hat mir ähnliche Fragen gestellt, die folgendermaßen lauteten: »Ich stimme Ihnen zu, finde es aber oft problematisch, wenn jemand mich fragt, wieso das, was ich tue, mit Linguistik zu tun hat. Wie beantworten Sie derartige Fragen?« Mit diesen Formulierungen entlockt man dieselben Informationen, nimmt aber eher die Rolle eines Verbündeten als die eines Gegners ein.

Der Kampf ums Nettsein
    Nachdem ich dieses Muster erkannt hatte, war ich erstaunt, wie oft Männer in freundlicher Absicht das Thema »Aggression« anschneiden. Ein Gastsprecher in einem meiner Kurse wollte zum Beispiel erklären, dass ein scheinbar merkwürdiges Benehmen die unterschiedlichsten Ursachen haben kann. Um das zu illustrieren, sagte er: »Nehmen Sie zum Beispiel diese junge Dame hier in der ersten Reihe. Stellen Sie sich vor, sie würde plötzlich aufspringen und anfangen, die junge Dame, die neben ihr sitzt, zu würgen.« Auf der Suche nach einem Beispiel für ein unerwartetes Verhalten fiel ihm spontan ein Angriff ein.
    Ein anderer Mann eröffnete gerade einen Workshop für ungefähr dreißig Leute in einem Raum, der fünfzig Platz geboten hätte. Die Teilnehmer hatten sich weit nach

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