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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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und verläßlichem Quellen. Die Art dieser besonderen Quelle, die Tatsache, daß niemand die unverfälschten Texte des Feindes liest, macht mindestens fünfzig Prozent des Informationswertes aus, den die Botschaft enthält. Zweifellos wird Washington eine frisierte Version nach London weiterleiten. Ich hoffe, es ist schon geschehen. Aber können Sie sich vorstellen, daß es vielleicht in ihrem Interesse liegt, über die schreckliche Gefahr, die England droht, zu schweigen? Zugleich aber liegt es in Englands Interesse, jede Stunde für die Ausarbeitung eines Gegenplans zu nutzen. Eine erste Maßnahme, die sich anbietet, ist die Vorbereitung für die Internierung aller sowjetischen Staatsbürger in England beim ersten Anzeichen der in der Botschaft erwähnten Evakuierungsmaßnahmen.«
    »Ich verstehe Ihren Standpunkt, Commander. Es gibt natürlich in diesem besonderen Fall eine Ausweichmöglichkeit, Ihrer Regierung diese Information zukommen zu lassen.« Tanaka schnitt eine boshafte Grimasse.
    Bond beugte sich über den Schreibtisch: »Aber ich habe Ihnen doch mein Ehrenwort gegeben!«
    Tanakas Gesicht erlebte eine merkwürdige Verwandlung. Es nahm einen traurigen Ausdruck an. Die dunklen Augen glitzerten nicht mehr. Aus seinen Zügen sprach auf einmal Melancholie. Er sagte: »Commander, ich war sehr glücklich in England. Ihre Leute haben mich sehr freundlich behandelt. Ich habe es ihnen in unwürdiger Weise gedankt.« (Aha, dachte Bond. Das ON.) »Als Entschuldigung führe ich meine Jugend und die Leidenschaft eines Krieges an, der, wie ich glaubte, meinem Land großen Ruhm bringen würde. Ich war im Irrtum. Wir wurden geschlagen. Die Sühne dafür ist eine wichtige Angelegenheit, eine Sache der Jugend dieses Landes. Ich bin kein Politiker und weiß nicht, wie diese Sühne aussehen wird. Augenblicklich machen wir die übliche Übergangszeit der Besiegten durch. Aber ich, Tanaka, habe mein eigenes privates Ausgleichskonto. Ich schulde Ihrem Land sehr viel. Heute morgen habe ich Ihnen ein Staatsgeheimnis verraten. Zu dieser Handlung hat mich meine Freundschaft zu Dikko ermutigt. Ebenso ermutigt haben mich aber auch Ihre aufrichtige Haltung und die Offenheit, mit der Sie die Ihnen auferlegte Pflicht zu erfüllen suchen. Ich sehe die Bedeutung dieses Stücks Papier für England völlig ein. Sie erinnern sich an den Text?«
    »Genau.«
    »Und Sie haben Ihr Ehrenwort gegeben, ihn nicht weiterzuleiten?«
    »Ja.«
    Tiger Tanaka stand auf und hielt ihm die Hand hin. »Leben Sie wohl für heute, Commander. Ich hoffe, daß wir uns noch öfter sehen.« Sein Gesicht strahlte wieder. »Ehre ist eine Sache des Verhaltens, Commander. Der Bambus muß sich unter dem Wind beugen. Aber gleicherweise muß sich die Zeder unterm Orkan beugen. Das soll heißen, daß manchmal die Pflicht zwingender ist als ein
    Ehrenwort. Draußen wartet ein Wagen, um Sie ins Hotel zurückzubringen. Bitte grüßen Sie Dikko herzlich von mir und sagen Sie ihm, daß er mir tausend Yen für die Reparatur einer elektronischen Anlage schuldet, die Staatseigentum ist.«
    James Bond drückte die harte Pranke. »Ich danke Ihnen, Mr. Tanaka«, sagte er von Herzen. Er verließ das kleine, geheime Büro, wobei ihn nur noch ein einziger Gedanke beschäftigte. Wie schnell waren Dikkos Verbindungen nach Melbourne? Wie schnell von Melbourne nach London?
    6
    Inzwischen war ein Monat vergangen, und aus Mr. Tanaka war »Tiger«, aus Commander Bond »Bondo-san« geworden. Tiger hatte seinen neuen Namen für James Bond erklärt. »James«, hatte er gesagt, »das ist ein schwieriges Wort für Japaner. Und es erweckt auch nicht den nötigen Respekt. Bond-san klingt dem japanischen Wort bonsan zu ähnlich, das Priester oder Graubart bedeutet. Die harten Konsonanten am Ende von >Bond< sind für den Japaner nicht leicht auszusprechen, und wenn so etwas bei einem Fremdwort vorkommt, hängen wir ein O an. Deshalb heißen Sie jetzt Bondo-san. Ist das annehmbar?«
    »Bedeutet Bondo vielleicht Schwein oder etwas Ähnliches auf japanisch?«
    »Nein. Es hat gar keine Bedeutung.«
    »Verzeihen Sie die Frage. Aber die Japaner scheinen Spaß an privaten Witzen auf Kosten der gaijins zu haben. Ich habe neulich einen meiner Freunde erwähnt, der >Monkey< McCall heißt, von uns aber gewöhnlich >Munko< genannt wird. Sie sagten mir, das sei in Ihrer Sprache ein unaussprechliches Wort. Deshalb dachte ich, >Bondo< könnte gleichermaßen unaussprechlich sein.«
    »Haben Sie keine Angst. Es ist

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