Du lebst nur zweimal
durchaus respektabel.«
Die Wochen waren vergangen, ohne daß Bond einen sichtbaren Fortschritt bei seiner Mission verzeichnen konnte. Dafür hatte sich zwischen ihm, Tiger und Dikko eine echte Freundschaft entwickelt. Die drei Männer wurden in ihrer Freizeit fast unzertrennlich, doch hatte Bond das Gefühl, daß er bei ihren gemeinsamen Ausflügen und ihren lärmenden Abendvergnügungen ständig, aber sehr taktvoll auf die Probe gestellt wurde. Dikko hatte Bonds Eindruck bestätigt. »Ich glaube. Sie machen Fortschritte, Meister. Tiger würde es als unehrenhaft ansehen, Sie an der Nase rumzuführen und dann mit ’ner glatten Absage abzuspeisen. Irgendwas braut sich hinter den Kulissen zusammen, ich hab bloß keine Ahnung, was! Ich vermute, daß Tigers Vorgesetzte den Finger am Drücker haben, wobei Tiger auf Ihrer Seite steht. Und Tiger hat was, das man hier im Volksmund >ein breites Gesicht< nennt. Das heißt, er hat großen
Einfluß. Und das ON, das er gegenüber England hat, ist ein entscheidender Faktor zu Ihren Gunsten. Was er Ihnen bei Ihrem ersten Treffen gab, war ein noch nie dagewesenes presento, wie wir das hier nennen. Aber passen Sie auf! Sie bürden sich ’ne Menge ON gegenüber Tiger auf. Und wenn’s zu ’ner Übereinkunft kommt, dann haben Sie hoffentlich ’n gediegenes presento im Ärmel versteckt, damit sich das ON auf beiden Seiten ungefähr das Gleichgewicht hält. Kein billiger Kuhhandel! Haben Sie was?«
»Ich weiß nicht genau«, sagte Bond unsicher. Das Material der »Blauen Linie« war in seiner Vorstellung im Vergleich zu dem Lachs, den Tiger verkaufen oder zurückhalten konnte, auf die Größe einer Elritze zusammengeschrumpft. Die Wirkung der einen Scheibe, die er Bond überlassen hatte, war schon durchschlagend gewesen. Der Test mit der Zweihundertmegatonnen-Bombe hatte termingerecht stattgefunden und war mit der von Moskau vorausgeahnten öffentlichen Empörung begrüßt worden. Doch die Gegenmaßnahmen des Westens waren umgehend erfolgt. Mit dem Hinweis, sowjetische Bürger in England vor feindlichen Kundgebungen schützen zu wollen, hatte man ihre Bewegungsfreiheit auf einen Radius von dreißig Kilometern um ihre Wohnstätten beschränkt, und »zum Schutz« standen Polizisten vor der Sowjetbotschaft, den Konsulaten und Handelsorganisationen. Natürlich hatte man gegen englische Diplomaten und Journalisten in Rußland Vergeltungsmaßnahmen ergriffen, doch damit hatte man rechnen müssen. Außerdem hatte der amerikanische Präsident eine unmißverständliche Ansprache gehalten und einen Vergeltungsschlag angedroht, falls die Sowjetunion eine Kernwaffe außerhalb ihres Herrschaftsbereiches zur Explosion bringen sollte.
Wenige Tage danach war Bond in Tigers Untergrundbüro gerufen worden. »Sie werden das natürlich nicht weitererzählen«, hatte Tiger mit boshaftem Lächeln gemeint, »aber das Unternehmen, von dem Sie privat Kenntnis haben, ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden.«
»Vielen Dank für diese private Information«, hatte Bond gesagt. »Aber Sie sehen doch ein, daß Ihr freundliches Verhalten vor drei Wochen die internationale Spannung wesentlich entschärft hat, besonders was mein Land betrifft. Mein Land wäre unendlich dankbar, wenn es von Ihrer persönlichen Großzügigkeit mir gegenüber wüßte. Darf ich auf Ihre weitere Gunst hoffen?« Bond hatte sich an die östliche Umschreibung gewöhnt, obwohl er die Feinheiten von Dikkos Ausdrucksweise gegenüber Tiger noch nicht beherrschte, die mindestens einen Fluch in jedem blumigen Satz enthielt und Tiger köstlich amüsierte.
»Bondo-san, für die Einrichtung, die Sie von uns mieten wollen, müssen wir, falls der unwahrscheinliche Fall eintritt, daß sie zur Verfügung gestellt wird, einen sehr hohen Preis fordern. Was hat Ihr Land als Gegenleistung für die Benutzung von MAGIC 44 zu bieten?«
»Wir haben eine sehr wichtige Nachrichtenverbindung in China, die bei uns als die >Blaue Linie< bekannt ist. Das Material aus dieser Quelle würde Ihnen ohne Einschränkung zur Verfügung gestellt.«
Melancholie breitete sich über Tigers Gesicht aus, doch in seinen Tatarenaugen erschien ein boshaftes Glitzern. »Ich befürchte sehr, daß ich schlechte Neuigkeiten für Sie habe, Bondo-san. Die >Blaue Linie< ist fast seit ihrem Bestehen von meiner Organisation unterwandert. Wir erhalten bereits alles Material aus dieser Quelle. Ich könnte Ihnen die Akten zeigen, wenn Sie wollen. Wir haben sie einfach in >Gelbe Linie<
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