Du lebst nur zweimal
fröhlichen Papierfähnchen und Laternen geschmückten Straßen zu dem üblichen verschwiegenen Eingang und den üblichen Zwergpinien, an die er sich nun schon gewöhnt hatte. Sie wurden bereits erwartet und mit Achtung begrüßt. Bond hatte an diesem Tag die Nase voll. Sein Vorrat an Verbeugungen und Lächeln war für heute erschöpft, und er war froh, als man ihn in seinem zierlichen Zimmer endlich mit dem obligaten zierlichen Teekessel, einer zierlichen Tasse und zierlichem in Reispapier eingewickelten Zuckerkonfekt allein ließ. Er saß an der offenen Schiebetür, die in einen taschentuchgroßen Garten und dann zum gemauerten Seeufer führte, und starrte trübsinnig über das Wasser auf die riesige Statue eines Mannes in steifem Hut und Morgenrock. Nach Tigers Erklärung stellte sie Mr. Mikimoto, den Begründer der Perlenzucht, dar, der aus Toba stammte. Bond dachte: Zum Teufel mit Tiger und seinem verrückten Plan. Auf was habe ich mich da nur eingelassen? Er saß immer noch da und verwünschte sein Schicksal, als Tiger hereinkam und ihm barsch befahl, einen der yukatas anzuziehen, die zusammen mit dem Bettzeug in dem an der Papierwand stehenden Schrank hingen.
»Sie müssen sich zwar sehr zusammennehmen, Bondo-san«, sagte Tiger sanft, »aber Sie machen Fortschritte. Zur Belohnung habe ich Unmengen von saké und dann die Spezialität dieser Gegend, Hummer, bestellt.«
Bonds Stimmung stieg zusehends. Er zog sich bis auf die Unterhose aus, legte den dunkelblauen yukata an (»Halt!« meinte Tiger. »Wickeln Sie ihn rechtsherum! Nur bei einer Leiche wird er linksherum gewickelt.«) und nahm Tiger gegenüber am niedrigen Tisch die Lotosstellung ein. Er mußte zugeben, daß der Kimono luftig und bequem war. Er verbeugte sich tief. »Das hört sich sehr erfreulich an.«
Der saké kam. Die hübsche Kellnerin kniete auf der tatami und bediente beide. Tiger hatte vorgesorgt und Gläser bestellt. Bond leerte sein Glas in einem Zug. »Ihre unfeinen Trinksitten passen sehr gut zu Ihrer künftigen Rolle«, sagte Tiger. »Und wen soll ich spielen?«
»Einen Bergarbeiter aus Fukuoka. In diesem Beruf gibt es viele großgewachsene Männer. Ihre Hände sind nicht rauh genug, aber Sie haben eben unter Tag eine Lore geschoben. Wir werden zum gegebenen Zeitpunkt noch Kohlenstaub unter Ihre Fingernägel praktizieren. Sie waren zu dumm, eine Haue zu schwingen. Sie sind taubstumm. Hier!« Tiger schob ihm eine schäbige, verschmierte und zerknitterte Karte mit einigen japanischen Schriftzeichen zu. »Das heißt >Tsumbo de oshi< - taubstumm. Ihr Gebrechen wird Mitleid und Zurückhaltung hervorrufen. Wenn jemand Sie anspricht, zeigen Sie die Karte, und man wird Sie in Ruhe lassen. Man wird Ihnen vielleicht auch einige kleine Münzen geben. Nehmen Sie sie an und verbeugen Sie sich tief.«
»Vielen Dank. Ich vermute, daß ich diese Almosen Ihrem Geheimfonds abliefern muß!«
»Das ist nicht nötig.« Tigers Gesicht war eisig. »Die Unkosten für unsere Mission werden direkt aus dem Fonds des Premierministers bestritten.«
Bond verbeugte sich. »Ich fühle mich geehrt.« Er setzte sich wieder gerade.
Lackkästchen mit Reis, rohe Wachteleier in Soße und Schälchen mit geschnittenem Seetang wurden vor die beiden auf den Tisch gestellt. Dann brachte man noch für jeden eine ovale Platte mit einem Hummer, dessen Kopf und Schwanz man als Verzierung des zerteilten rosaroten Fleisches in der Mitte liegengelassen hatte. Bond machte sich mit seinen Eßstäbchen an die Arbeit. Überrascht stellte er fest, daß das Fleisch roh war. Noch überraschter war er allerdings, als der Kopf seines Hummers langsam von seiner Platte herunterzukrabbeln begann und mit tastenden Fühlern und scharrenden Beinen quer über den Tisch schwankte. »Du lieber Himmel, Tiger!« rief Bond entsetzt. »Das verdammte Biest ist ja lebendig!«
Tiger zischte ungeduldig: »Wirklich, Bondo-san, Sie enttäuschen mich! Sie versagen bei einer Prüfung nach der anderen. Ich hoffe nur, daß Sie während des Restes unserer Reise bessere Fortschritte machen. Essen Sie weiter und hören Sie auf, zimperlich zu sein! Das ist eine sehr große japanische Delikatesse.«
Bond verneigte sich ironisch. »Shimata!« sagte er. »Ich habe einen Fehler gemacht. Es kam mir nur in den Sinn, daß es diesem ehrenwerten japanischen Hummer vielleicht unangenehm sein könnte, lebendig aufgefressen zu werden. Vielen Dank für die Berichtigung meines ungerechtfertigten Gedankens.«
»Sie werden sich
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