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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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nie gebilligt, daß Agenten mit Revolvern und anderen auffälligen Waffen herumrennen. In China, Korea oder im asiatischen Rußland, die sozusagen meine Hauptjagdgebiete sind, käme der Besitz einer Angriffswaffe bei der Festnahme einem klaren Schuldbekenntnis gleich. Von meinen Männern wird erwartet, daß sie ohne Waffen töten. Sie dürfen nur einen Stock und eine dünne Kette bei sich tragen, für die man leicht eine Erklärung finden kann. Sie verstehen?«
    »Ja - wir haben eine ähnliche Ausbildungsstätte für den unbewaffneten Kampf. Aber natürlich sind euer Judo und Karate besondere Fähigkeiten, die jahrelange Praxis erfordern. Wie weit haben Sie’s eigentlich in Judo gebracht, Tiger?«
    Tiger stocherte nachdenklich in seinen Zähnen. »Nur bis zum schwarzen Gürtel des siebten Dan. Ich hab’s niemals zum roten Gürtel gebracht, der vom achten bis elften Dan verliehen wird. Dazu hätte ich alles andere aufgeben müssen. Und wozu? Um bei meinem Tod zwölfter Dan zu werden? Als Lohn dafür, mich das ganze Leben lang in der Kodokan-Akademie in Tokio herumschleudern zu lassen? Nein, vielen Dank! Das ist das Ziel eines Verrückten.« Er lachte. »Keinen saké ! Keine netten Mädchen! Und noch schlimmer - keine Gelegenheit, meinem Ärger entsprechend Luft zu machen, einen Räuber oder Mörder mit dem Revolver in der Hand zu stellen und zu erledigen. In den höheren Sphären des Judo sind Sie nichts als ein Mönch mit den Fertigkeiten eines Ballettänzers. Nichts für mich!«
    Als sie wieder die staubige Straße entlangfuhren, drehte sich Bond instinktiv um und spähte durch das Rückfenster, dessen zierliche Seidenvorhänge das Kennzeichen eines echten Mietwagens und zugleich eine gefährliche Sichtbehinderung für den Fahrer darstellten. Weit hinter ihnen befand sich ein einzelner Motorradfahrer. Als sie später in eine Seitenstraße in die Berge einbogen, folgte er ihnen immer noch. Bond machte Tiger darauf aufmerksam.
    »Vielleicht ist es ein Straßenpolizist«, meinte Tiger. »Wenn nicht, dann hat er sich die falsche Zeit und den falschen Ort ausgesucht.«
    Die Burg entpuppte sich als eines der traditionellen japanischen Gebäude mit geschwungenen Dächern. Sie stand in einer Schlucht zwischen den Bergen, die früher ein wichtiger: Paß gewesen sein mußte; denn auf den Kronen der gewaltigen, leicht schrägen Mauern aus schwarzen Granitblöcken standen alte Kanonen. Sie wurden an der Auffahrt zu einem Holzdamm über den vollen Wassergraben und am Burgtor angehalten. Tiger wies einen Paß vor, und die Posten konnten sich mit Verbeugungen nicht genugtun. Eine Glocke bimmelte vom First des hohen Gebäudes, das, wie Bond im inneren Hof feststellte, dringend einen neuen Anstrich nötig hatte. Als der Wagen anhielt, rannten junge Männer in kurzen Hosen und Turnschuhen auf den Vorhof der Burg und stellten sich hinter drei älteren Männern auf. Sie verbeugten sich fast bis auf den Boden, als Tiger majestätisch aus dem Auto stieg. Tiger und Bond verbeugten sich ebenfalls. Kurze Begrüßungen wurden mit den älteren Männern ausgetauscht, und dann ließ Tiger eine Sturzflut abgehackter japanischer Befehle los, die der ältere Mann, der offensichtlich der Kommandant der Abteilung war, mit respektvollen »hais« bestätigte. Nach einem abschließenden »Hai, Tanaka-san!« drehte er sich zu den rund zwanzig Rekruten um, deren Alter zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig zu schwanken schien. Er rief Nummern auf, und sechs Männer traten einen Schritt vor. Sie erhielten Befehle und rannten in die Burg zurück. Tiger erklärte Bond: »Sie ziehen ihre Tarnanzüge an und werden die Berge absuchen, durch die wir gekommen sind. Wenn dort jemand herumschnüffelt, bringen sie ihn hierher. Und jetzt werden wir uns einen Scheinangriff auf die Burg ansehen.« Tiger stieß weitere Befehle aus, und die Männer verschwanden im Laufschritt. Bond folgte Tiger hinaus auf den Holzdamm, wobei sie der Chefausbilder begleitete, mit dem sich Tiger angeregt unterhielt. Etwa eine Viertelstunde später ertönte von den Mauern über ihnen ein Pfiff, und sofort tauchten aus dem Wald links von ihnen zehn Männer auf. Sie waren ganz in Schwarz gekleidet, nur für die Augen gab es Schlitze in den schwarzen Kapuzen. Sie rannten zum Rand des Wassergrabens hinunter, legten ovale Bretter aus irgendeinem leichten Holz an und glitten wie Skifahrer über das Wasser, bis sie den Fuß der gewaltigen schwarzen Mauer erreichten. Dort zogen sie die

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