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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Bretter ab, nahmen kurze Seile und eine Handvoll kleiner eiserner Haken aus den Taschen ihrer schwarzen Anzüge und rannten wie Spinnen die Mauern hinauf.
    Tiger wandte sich an Bond. »Sie müssen sich vorstellen, daß jetzt Nacht ist.
    In einigen Tagen werden Sie sich auf die gleiche Weise betätigen. Wie Sie sehen, enden die kurzen Seile in einem eisernen Haken, den man nach oben wirft, damit er sich in den Spalten zwischen den Steinblöcken festhakt.«
    Der Ausbilder machte eine Bemerkung und deutete auf die Mauer. Tiger nickte. »Der Mann am Ende ist der schwächste«, erklärte er Bond. »Der Instrukteur glaubt, daß er bald abstürzen wird.«
    Die kletternden Männer hatten jetzt fast die Krone der sechzig Meter hohen Mauer erreicht; in diesem Augenblick verlor der Schlußmann den Halt, stieß einen Schrei aus und stürzte mit den Armen und Beinen um sich schlagend in den Abgrund. Sein Körper schlug einmal auf den Boden auf und fiel dann in das ruhige Wasser des Burggrabens. Der Instrukteur murmelte etwas, zog sein Hemd aus, stieg auf das Geländer des Dammes und sprang die dreißig Meter ins Wasser hinunter. Es war ein klassischer Kopfsprung. Er schwamm auf den Körper zu, der mit dem Gesicht nach unten im Graben trieb. Tiger wandte sich wieder an Bond. »Das ist nicht von Bedeutung. Er wollte den Mann sowieso ausmustern. Kommen Sie jetzt mit in den Hof. Die Angreifer haben die Mauer bezwungen und werden jetzt bojutsu gegen die Verteidiger einsetzen - das ist der Kampf mit den Stöcken.«
    Bond warf einen letzten Blick auf den Instrukteur, der die Leiche an der schwarzen Kapuze zum Ufer zog. Bond fragte sich, ob ein weiterer Rekrut beim bojutsu versagen würde. In Tigers Ausbildungslager war jedes Versagen zweifellos endgültig!
    Im Hof fochten Angreifer und Verteidiger mit dicken, etwa zwei Meter langen Stöcken heftige Zweikämpfe aus. Sie pendelten hin und her und parierten die Schläge, stießen nach dem Magen des Gegners, wobei sie die Stöcke wie Lanzen verwendeten, oder waren - Gesicht fast gegen Gesicht gepreßt - in Nahkämpfe verwickelt. Langsam überwältigte die Verteidigung die Angreifer. Schwarze Gestalten fielen besinnungslos um oder lagen stöhnend am Boden und hielten sich Kopf, Magen oder Schienbein. Dann gab einer der Instrukteure mit der Trillerpfeife ein schrilles Signal - und alles war vorbei. Die Verteidiger hatten gesiegt. Ein Arzt erschien und kümmerte sich um die Verwundeten, während sich die anderen zuerst gegenseitig und dann vor Tiger verbeugten. Tiger hielt eine kurze, leidenschaftliche Ansprache, die, wie er Bond später erklärte, die Männer für den echten Einsatz bei der Darbietung lobte, und Bond wurde in die Burg gebeten, um Tee zu trinken und das Museum für ninja -Ausrüstung zu besichtigen. Es enthielt gezackte Stahlräder von der Größe eines Silberdollars, die man um den Finger wirbeln und werfen konnte, Ketten mit stacheligen Gewichten an jedem Ende, die man wie die südamerikanischen Bolas verwendete, spitze gebogene Nägel, um barfüßige Verfolger abzuwehren, hohle Bambusrohre für das Atmen unter Wasser (Bond hatte ein solches Rohr bei seinem Abenteuer auf Dr. Nos Insel Crab Key verwendet), verschiedene Schlagringe aus Messing, Handschuhe, deren Handflächen mit sehr spitzen, leicht gebogenen Nägeln zum »Laufen« an Wänden und Decken besetzt waren, und noch eine Unzahl anderer primitiver Angriffs- und Verteidigungswaffen. Bond gab angemessene Laute des Beifalls und des Erstaunens von sich und dachte an die mit viel Erfolg in Westdeutschland eingesetzte vergleichbare Erfindung der Russen - eine ZyanidGaspistole, die keine Spuren hinterließ und unfehlbar zur Diagnose »Herzschlag« führte.
    Tigers vielgerühmtes ninjutsu stand keinesfalls auf der gleichen Stufe!
    Als sie wieder im Hof standen, meldete der Anführer des Erkundungstrupps die Entdeckung von Motorradspuren, die eine Meile von der Burg entfernt endeten. Das sei der einzige Hinweis auf einen Verfolger gewesen. Dann kamen die von Bond verfluchten Verbeugungen, und sie waren unterwegs nach Kioto.
    »Nun, Bondo-san, was halten Sie von meinem Ausbildungslager?«
    »Ich kann mir vorstellen, daß die dort gelehrten Fähigkeiten sehr nützlich sein können; andererseits habe ich mir gedacht, daß der schwarze Anzug für die Arbeit bei Nacht und die verschiedenen Waffen genauso belastend sein dürften wie eine Pistole, wenn man erwischt wird. Aber die Mauer sind sie wirklich verteufelt schnell

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