Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
Vom Netzwerk:
Landes kennenlernen wollte. Das Schiff glitt majestätisch zwischen den unzähligen Inseln dahin. Tiger erklärte, daß es zwischen ihnen, einige schöne »speziell für Selbstmörder geeignete« Strudel gab. Später saßen Tiger und Bond im Speisesaal der ersten Klasse und verzehrten jeder ein Schinkenomelett, das sie mit saké hinunterspülten. Tiger betätigte sich wieder als Lehrer. Er war entschlossen, Bonds himmelschreiende Unkenntnis der japanischen Kultur zu beheben. »Bondo-san, ich frage mich, ob ich Sie jemals dazu bringen kann, die Nuancen des japanischen tanka oder das haiku zu würdigen; das sind unsere klassischen japanischen Versformen. Tun Sie mir einen Gefallen, Bondo-san. Schreiben Sie einen haiku für mich. Sie müssen doch irgendeine Erziehung genossen haben.«
    Bond lachte. »Meist in Latein und Griechisch. Die alten Geschichten über Caesar und Balbus und ähnliche Leute. Damit konnte ich mir aber nicht mal ’ne Tasse Kaffee in Rom oder Athen bestellen, nachdem ich die Schule verlassen hatte. Und dann solche Fächer wie Trigonometrie, die ich total vergessen habe. Aber geben Sie mir ein Stück Papier und einen Kugelschreiber, und ich werd’s mal versuchen.« Tiger gab ihm das Gewünschte, und Bond stützte seinen Kopf in die Hand. Nach vielem Durchstreichen und Umschreiben sagte er endlich: »Wie klingt das, Tiger?« Er las vor:
    »Du lebst nur zweimal:
    Einmal, wenn du geboren wirst, und einmal, wenn du dem Tod ins Gesicht siehst.«
    Tiger klatschte leise in die Hände. Mit aufrichtiger Freude sagte er: »Das ist ja hervorragend, Bondo-san! Ausgezeichnet.« Er nahm das Blatt und schrieb schnell ein paar japanische Schriftzeichen darauf. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, im Japanischen geht’s nicht. Sie haben die falsche Anzahl von Silben. Aber es ist ein sehr ehrenvoller Versuch.« Er sah Bond scharf an. »Sie haben dabei wohl an Ihre Mission gedacht?«
    »Vielleicht«, antwortete Bond gleichgültig.
    »Bedrückt sie Sie irgendwie?«
    »Die praktischen Schwierigkeiten ganz bestimmt. Die damit zusammenhängenden moralischen Grundsätze habe ich geschluckt. Wie die Dinge nun mal liegen, muß ich einfach gelten lassen, daß der Zweck die Mittel heiligt.«
    »Dann sind Sie nicht um Ihre eigene Sicherheit besorgt?«
    »Nicht besonders. Ich habe schon Schlimmeres erledigt.«
    »Ich muß Ihnen zu Ihrem Gleichmut gratulieren. Sie scheinen Ihr Leben nicht so hoch einzuschätzen wie die meisten Abendländer.« Tiger sah ihn freundlich an. »Gibt es dafür vielleicht einen Grund?«
    Die Frage traf Bond unvorbereitet. »Nicht daß ich wüßte! Hören Sie, um Himmels willen, damit auf, Tiger! Keine japanische Gehirnwäsche! Bestellen Sie lieber noch saké .«
    Bei Sonnenuntergang trafen sie in Beppu auf Kiushiu ein. Tiger behauptete, dies sei gerade die richtige Zeit, um die berühmten Geiser und Fumarolen des kleinen Badeortes anzusehen. Jedenfalls härten sie dazu am nächsten Morgen keine Zeit, da sie sehr zeitig nach Fukuoka, dem Endziel ihrer Reise, aufbrechen müßten. Bond fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Der Augenblick, der das Ende von saké und Besichtigungen bedeutete, kam zu schnell näher.
    Oberhalb von Beppu besichtigten sie nacheinander die zehn eindrucksvollen »Höllen«, wie sie offiziell bezeichnet wurden. Es stank grauenvoll nach Schwefel, und jede brodelnde, blubbernde Ansammlung von Fumarolen war schrecklicher als die andere. Der dampfende Schlamm und die speienden Geiser hatten verschiedene Farben - rot, blau und orangegelb -, und überall standen Warntafeln mit Totenköpfen herum, um die Besucher in sicherem Abstand zu halten. Bei der zehnten »Hölle« verkündeten englische und japanische Hinweisschilder, daß pünktlich alle zwanzig Minuten eine Eruption stattfinde. Sie schlössen sich einer Zuschauergruppe unter den Bogenlampen an, die einen kleinen Krater in einem felsigen schlammbespritzten Gelände beleuchteten. Genau nach fünf Minuten hörte man ein unterirdisches Grollen, und ein Strahl aus dampfendem grauen Schlamm schoß sieben Meter hoch und plätscherte innerhalb der Umzäunung auf den Boden. Als Bond sich umdrehte, sah er in einem kleinen mit Vorhängeschloß und Drahtgitter geschützten Gehäuse ein großes rotangestrichenes Kurbelrad. Die Warnungstafel darüber zeigte einen besonders bedrohlichen Totenkopf. Bond fragte Tiger, was auf der Tafel stehe.
    »Es heißt, daß mit diesem Rad das Auslaßventil des Geisers geregelt wird. Weiter steht da, daß

Weitere Kostenlose Bücher