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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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los.
    Sie richtet sich auf den Ellbogen auf. »Wieso lachst du?« Sie kneift die Augen zusammen. Aber ein Mundwinkel wandert ein Stück nach oben, als würde sie den Witz gerne verstehen. Ihre Haare sind zerzaust.
    »Weil ich mit dir schon seit - wie lange? Über einem Jahr? - zusammenarbeite und nicht im Traum daran gedacht hätte, dass du so etwas machen würdest. Bist du nicht immer die Verantwortungsbewusste?«
    Ihr Kopf schnellt zurück, als hätte ich ihr eine Ohrfeige verpasst. »Was soll das denn heißen?«
    »He, tu nicht so eingeschnappt. Jeder weiß, dass deine Eltern als Ärzte große Tiere sind. Und dass du immer eine der besten Schülerinnen warst. Ich sehe, wie du arbeitest. Du hältst dich an alle Regeln. Du wiegst immer alles ab. Du bedienst die Schneidemaschine korrekt. Du lässt mich noch nicht einmal zwei Minuten früher den Laden zumachen. Du bist das brave Mädchen.«
    »Genau das ist es ja.« Gaby seufzt zitternd. »Ich fühle mich verantwortlich. Hätte Kayla mich nicht gefragt, ob ich mit ihr tausche, hätte ich in dem Auto gesessen. Nicht sie.« Sie dreht sich um und blickt aufs Wasser, das nur ein paar Zentimeter von uns entfernt ans Ufer schlägt. Gaby redet so leise, dass ich sie kaum verstehe. »Der Täter hätte mich in den Fluss geworfen.«
    »Sie wollte tauschen, nicht du«, erinnere ich Gaby. Aber ich kenne mich mit Schuld aus. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man meint, man hätte etwas verhindern können.
    Aber wieso musste Gaby in den Fluss springen? Obwohl wir am Ufer liegen und die Sonne bereits unsere Klamotten trocknet, habe ich immer noch teilweise das Gefühl, im Wasser zu strampeln. Ich spüre, wie der Fluss mich verschlingt, meine Beine den Grund suchen und ihn nicht finden. Wasser brennt in meiner Nase und meiner Kehle. Meine Lungen ziehen sich vor Gier zusammen.
    Wieder spricht Gaby, als wäre sie weit weg. »Aber in gewisser Weise ergibt es auch mehr Sinn, dass jemand Kayla entführt hat.«
    »Wie meinst du das?«
    »Weil sie hübsch ist. Hübscher als ich.«
    Ich setze mich auf. »So ein Schwachsinn. Willst du damit sagen, Mädchen, die hübsch sind, verdienen es, entführt zu werden? Dass sie es verdient haben, wenn ihnen etwas zustößt?«
    »Nein«, sagt sie.
    Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie es auch meint.

NOTRUFAUFZEICHNUNG
    Notrufzentrale: Notrufstelle. Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen?
    Unbekannter, männlicher Anrufer: Polizei.
    Notrufzentrale: Worum geht es bei dem Notfall?
    Unbekannter, männlicher Anrufer: Es geht um dieses Mädchen, das vermisst wird. Kayla Cutler. Fragen Sie mal bei Cody Renfrew nach. Fragen Sie ihn. Fragen Sie ihn, warum er seinen Lieferwagen umlackiert hat. Denn er ist weiß gewesen, und das ist die Farbe, die sie in den Nachrichten genannt haben. Die Farbe des Lieferwagens, in dem das Mädchen entführt wurde. Codys Lieferwagen war mal weiß. Jetzt ist er auf einmal braun. Fragen Sie ihn, wo er Mittwochabend war. Fragen Sie ihn.

Der vierte Tag
GABY
    Ich sitze vor meinem Computer. Es ist fast Mitternacht, aber meine Eltern sind im Krankenhaus. Auf der Autobahn hat es eine Karambolage mit fünf Autos gegeben, Rettungseinsatz, Rettungshubschrauber usw. Jedenfalls hat sich ihr Wochenende gerade in Luft aufgelöst. Ich esse eine von drei kleinen Chipstüten mit Sour Cream und Käsegeschmack, die ich nach der Arbeit auf dem Heimweg bei Starbucks gekauft habe. Ich habe zu viel Angst, im Dunkeln beim Supermarkt zu halten und eine große Tüte zu kaufen, selbst wenn ich direkt vor dem Eingang parke.
    Ich habe beschlossen, dass dieser Tag heftig genug gewesen ist und ich mir etwas Junk Food verdient habe. Obwohl die Putzfrau, die zweimal die Woche kommt, normalerweise auch den Müll ausleert, werde ich die leeren Tüten am Montag mit in die Schule nehmen, damit Mom sie nicht sieht und mir einen Vortrag über Cholesterin, Natrium und Transfette hält.
    Meine Gedanken drehen sich immer noch um die Ereignisse des heutigen Tages. Das Wiedersehen mit Wachtmeister Thayer. Pete, der uns vom blutigen Stein erzählt. Dass ich Drew mein Auto angeboten habe, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Die Fahrt zum Fluss und alles, was dort passiert ist. Drew und ich sind danach zurück zur Pizzeria gefahren und ich habe versucht so zu tun, als hätte ich ihm nicht meine Gedanken anvertraut. Versucht, mich ihm gegenüber so zu verhalten wie gegenüber jedermann. Als wären wir nicht zusammen zum Fluss gefahren, hätten nicht das weiße

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