Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
nicht geschieht. Ist es nicht eher so, dass Entgegenkommen als Schwäche abgewertet und belächelt wird? Auch das folgende Praxisbeispiel zeigt, wie Dreistigkeit siegen und ein ganzes Schulsystem zum Spielball degradieren kann. Auf diese Art bekommen Heranwachsende von der Schule jedenfalls nicht das notwendige Rüstzeug für eigenverantwortliches Handeln mit auf den Weg.
PRAXISBEISPIEL ______________________________________
Ein Abiturient erscheint drei Monate lang nicht zum Unterricht, ohne ein Attest vorzulegen. Die Lehrerin rennt ihm vom Tag der Gesundung an mehrere Wochen lang nach und teilt ihm schließlich mit: Wenn er bis zum Halbjahreszeugnis das besagte Attest nicht vorlegen würde, müsste sie ihm eine schlechtere Note geben, weil er im Mündlichen keinen Leistungsnachweis erbracht hätte. Es kommt, wie es kommen muss: Der Schüler reagiert erst einmal gar nicht und nimmt den Nachteil scheinbar in Kauf. Eine Woche vor den Osterferien jedoch – zwei Monate nach der Zeugnisausgabe – legt
er plötzlich das Attest vor und besteht darauf, dass sein Zeugnis neu verfasst und seine Note umgeschrieben wird. Die Lehrerin tippt sich an die Stirn und meint, dass er sein Ansinnen vergessen könne. Daraufhin wendet sich der Schüler an die Schulleitung, die ihrerseits die Lehrerin in die »Mangel« nimmt, sie möge bitte das Zeugnis umschreiben, der Schüler könne ja nun ein Attest vorweisen.
Wie wird sich die Lehrerin entscheiden? Wird sie den Mut haben und an ihrer berechtigten Entscheidung konsequent festhalten? Wird sie einen unbequemen Weg gehen, der ihr zunächst zwar Ärger einbringen wird, aber letztendlich sinnvoll ist, weil sie dem Schüler eine Lebenslektion mit auf den Weg gibt? Oder wird sie vor den in Aussicht gestellten Auseinandersetzungen mit der Schulbehörde kneifen?
Leider hat ein Lehrer, der zu seinen Überzeugungen stehen möchte, nicht besonders viel Handlungsspielraum. Die Schulleitung stärkt ihm selten den Rücken. Ein Schulsystem verliert jedoch sein Gesicht, wenn es sich durch Drohgebärden erpressen lässt.
Wie die Schule Verlierer und Tyrannen produziert
Die Schule ist ein sehr geschlossenes, undurchsichtiges System, welches sich zwar offiziell die individuelle Förderung des Kindes auf die Agenda geschrieben hat, doch letztendlich den Menschen auf ein Mittelmaß zurechtstutzt, und vor allem diejenigen frei agieren lässt, die sich auf Kosten anderer profilieren. Wie ist sonst zu erklären, dass der Schulalltag von Pöbeleien, Hänseleien, Bloßstellungen und Ausgrenzungen aller Art dominiert wird? Bereits hier etabliert sich die Hackordnung:
Wir da oben – ihr da unten! Nirgendwo wird den Schülern ihre soziale Stellung bewusster als in der Schule, die täglich die Hühnerleitertheorie vermittelt: Nach unten wird gehackt und geschissen.
Lehrer mobben Schüler, Schüler mobben Lehrer, Eltern mobben Lehrer, Schulleiter mobben Lehrer, Lehrer mobben Lehrer, Schüler mobben Schüler ... Konkurrenzdenken, Kompetenzgerangel, Blockieren von Neuerungen, Ausbremsen von Andersartigkeit, an allen Ecken wird gelästert, gelauert, gekränkt und schikaniert. Sowohl die Schüler als auch die Lehrer stoßen ständig an ihre Grenzen und müssen erfahren, dass der Schulalltag wenig Raum für persönliche Entfaltung lässt. Es wird alles bekämpft, was eine gute Saat ausmacht: Fleiß, Fairness, Rückgrat, Kreativität. Gewinner in diesem System sind all die Möchtegern-Edelsteine, die coolen Angeber, denen die naiv Behüteten hinterherlaufen, weil ihre Fassaden aufgrund von Schönheit, Reichtum und Freizeitgestaltung so schön glitzern. Da möchte manch einer etwas von dem Schein abhaben. So steigern die Mitläufer den Beliebtheitswert einiger Blender noch weiter – ohne sehen zu können, dass nicht der Schein, sondern das Sein den Menschen wertvoll macht. Echte Diamanten leben ihre Tugenden und drängen sich nicht in den Vordergrund.
Das haben einige Schulen inzwischen erkannt. Wege aus dem Dilemma sind im Grunde leicht zu finden: Durch das Tragen von Schuluniformen wird beispielsweise das soziale Miteinander in den Mittelpunkt gerückt. Beliebtheit richtet sich nicht mehr nach den teuersten Klamotten, sondern orientiert sich am Charakter. Neid, Spott und Gruppenzwang können in einem guten Klassenklima nicht wuchern. Dafür stehen erfreulicherweise endlich einmal die Lerninhalte und der Mensch im Vordergrund. Also genau das, wofür doch Schule stehen sollte!
Mobbing in der Schule
Im
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