Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
diesen Zuständen die Augen verschließen, werden noch viel mehr Schüler zu Mobbingopfern als die 500 000 offiziell Betroffenen, nämlich all die, die sich aus Angst, dass es sie selbst treffen könnte, in ein Leben in Angepasstheit flüchten, um bloß nicht aufzufallen. Damit hat eine komplette Gesellschaft das wehklagende Blöken zu verantworten, nur weil sie nichts dagegen unternimmt.
Eine Schule, die das Thema Mobbing herunterspielt, verschärft es nur noch, weil sie den Akteuren freie Hand lässt und den Passiven ein unwürdiges Lebensmodell auferlegt.
Wenn man davon ausgeht, dass 30 Prozent in einer Gruppe sich als Mitläufer entpuppen, 30 Prozent als Wegseher und 30 Prozent als Stillhalter, denen das Mobbingopfer insgeheim leid tut, da gibt es doch gute Chancen, anstandsloses Verhalten einzudämmen. Überall da, wo Mobbing stattfindet, gibt es keine Unbeteiligten. Jeder, der wegsieht, bejaht ein System der Unterdrückung und hat ebenfalls zu verantworten, wenn heutige Mobbingopfer die Täter von morgen sind. Jeder, der sich die Welt aus Angst oder Bequemlichkeit schönredet, leistet den Tätern Vorschub. Und jeder, der selbst in unterdrückende Situationen gerät, wünscht sich nichts sehnlicher als einen mutigen Helfer an seiner Seite. Doch wo soll der herkommen, wenn in den Schulen die falschen Strategien wie Wegsehen, Herunterspielen und Unterordnen vorgelebt werden?
An sich ist die Lösung nicht allzu schwierig: Grundsätzlich muss man als Lehrer konstruktives Handeln fördern und missbräuchliches Verhalten umgehend rügen. Auf »dumme Sprüche« und abwertende Kommentare gegenüber Mitschülern muss ein Lehrer sofort reagieren, den Täter direkt ansprechen, die Situation thematisieren, statt sie zu ignorieren. Jeder Schüler hat Anspruch auf ein wertschätzendes Klassenklima, in dem Lernen überhaupt möglich ist. Es kann einfach nicht sein, dass die Mehrheit der Schüler, die sich eine lernorientierte Atmosphäre wünscht, durch die Eskapaden einiger Scharfmacher unaufhörlich gestört wird. Guter Unterricht ist nur möglich, wenn Ruhe und Aufmerksamkeit herrschen, wie auch die Bereitschaft, mit- und voneinander zu lernen. Deshalb sind diejenigen zu entfernen, die diese Zusammenhänge nicht begrüßen. Es muss wieder in unser aller Bewusstsein dringen, dass man für die Folgen ungebührlichen Verhaltens aufzukommen hat. Und sei es, dass derjenige fliegt, der stört.
Oberste Priorität des Lehrers ist es, die Aufmerksamkeit den lernwilligen Schülern zu widmen, ihnen einen angstfreien
und geborgenen Lebensraum zu garantieren und einen achtsamen Umgang vorzuleben. Es ist ein vorsätzlicher Missbrauch an allen Heranwachsenden, sie in ihren Konflikten sich selbst zu überlassen und vorzuleben, dass Gesellschaftsverträge nur für die netten, angepassten Menschen gemacht sind, die »fiesen« sich aber aufgrund ihrer Ellbogen entziehen dürfen. Daher: Wer stört, muss gehen! An dieser Stelle höre ich mit Blick auf die Rechtsvorschriften schon den »Geht-aber-nicht«-Aufschrei. Dann müssen wir dafür sorgen, dass es geht! Gesetze sollten für den Menschen da sein und nicht umgekehrt.
Im Übrigen muss gelten: Ein Lehrer ist Pädagoge. Verhaltensauffälligkeiten gehören jedoch in die Hände von Psychologen. Es ist nicht die Aufgabe des Lehrers, auch noch den Psychologen für wenige Schüler zu geben – und das zum Nachteil einer großen Mehrheit. Andere Menschen zu quälen und sich auf ihre Kosten zu bereichern ist eine Verhaltensauffälligkeit. Wer sich nicht an Regeln halten mag, darf nicht mitspielen. Wer schummelt, bekommt Ärger – und nicht der, der über eine menschliche Geisteshaltung verfügt.
Wenn Lehrer mobben
Schier unglaublich ist auch, wie viele Kleinkriege in der Lehrerschaft geführt werden. Jeder Pädagoge mit sehr guten erzieherischen Eigenschaften, hoher Fachkompetenz, neuen Ideen, hoher Leistungsbereitschaft, der bei den Schülern beliebt ist, äußerst engagiert und gepflegt in Erscheinung tritt, sticht mit seinem Profil aus der Kollegenmenge heraus und wird zur Zielscheibe von Neid, Missgunst, aber auch Ängsten vor dem eigenen Versagen. Bekämpft werden die Kollegen, die anecken, kritisch sind und Dinge hinterfragen. Diese werden bei der Schulleitung angeschwärzt, über Mittelsmänner kontrolliert und normiert. Es werden sogar Schüler als Informanten gegen diese Kollegen eingesetzt und Gremien für Mobbingzwecke
missbraucht. Darunter leidet natürlich das Lehren und
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